04. Oktober – 21. Oktober 2014
Route: Nueva Helvecia > Punta del Este > Chuy > Tacuarembo > Salto (Uruguay)
Eigentlich waren nur 10 Tage in Uruguay geplant. Aber es ist hier so schön, dass wir schon über 20 Tage da sind. Das liegt nicht an den Stränden von Punta del Este, wo sich die Reichen und Schönen treffen (als wir da waren, sah das so aus wie St. Moritz im Juni), sondern mehr daran, dass das Land mit seinen Menschen so herzlich ist.
Die Menschen sind wunderbar hier. Beim Einkauf im TaTa, das ist der Coop von Uruguay und einen anderen Grossverteiler haben wir bis jetzt nicht gefunden, zahlen wir immer mit dem Kärtchen. Da muss dann auch die ID vorgewiesen werden und da kommt dann schon die erste Frage: Nein, nicht nach Cumulus oder Superpunkten, sondern „De donde son? – Oh Suiza, muy lindo, pero conozco solo del Tele.“. Und dann kommt man ins Gespräch mit einer Kassiererin und die ruft dann den Herrn vom Sicherheitsdienst, den hat‘s da immer und der findet es auch so schön, dass wir da sind und alle heissen uns herzlich willkommen und entschuldigen sich, dass es jetzt gerade ausgerechnet im Frühling, wenn wir da sind, so viel regnet.
In den Fruterias ist das auch so. Beim Einkauf von Früchten und Gemüsen in den kleinen Tante Emma Läden am Dorf- oder Stadteingang ist von Hektik und Stress nichts zu spüren. Ein Schwatz liegt immer drin und wenn wir irgendwo campen, kann es gut sein, dass man uns herzlich begrüsst und sich freut, dass wir da sind. Stefan wird in Chuy, an der Grenze zu Brasilien von einer Frau so herzlich begrüsst, dass er gar nicht mehr weiss, wie ihm ist. Sie steigt von ihrem Velo ab, lässt es samt Anhänger am Strassenrand stehen und küsst ihn einfach ab, während der Besitzer der Fruteria mir alle Säcke zum Auto trägt.
Oder bei den Grutas del Palacio, wo man uns die Personaldusche und den Computer zur Verfügung stellt und uns gleich noch mit fritiertem Gebäck (Tartas fritas) beglückt. Und das alles gratis, weil es wieder regnet und nirgends ein trockenes Plätzchen zu finden ist. Liebevolle Gastfreundschaft.
Oder die Motorradgäng, die genau neben uns auf dem Campingplatz ihren Feierabend feiert, zuerst mit lateinamerikanischem Heavy Metall und dann mit schnulzigen Schlagern. Sie teilen sich zu sechst eine Flasche Pepsi und schicken einen los, der dann mit uns plaudert. Sie verabschieden sich später ganz artig und wünschen uns viel Freude und viele schöne Erlebnisse und versichern uns, in Uruguay sei es immer ganz ruhig und still und das sei doch das schöne hier. Einfach so tranquilo y no estres.
Hektik kennen die Uruguayer nicht. Um 12 Uhr werden die kleinen Geschäfte geschlossen und bis ca. 16h ist Siesta. Diejenigen, die nicht nach Hause gehen, essen ein Milanesa (Paniertes Plätzli), oder ein Hamburguesa oder ein Chivito (Plätzli zwischen Brot analog zum Hamburger). Zum Salat gibt’s einfach Essig und Öl. Die Küche ist italienisch geprägt. Pizzas und Pasta sind überall erhältlich.
Am Wochenende werden riesige Grills, die sogenannten Parillas angezündet, worauf dann das Asado gebraten wird. Das heisst, da wird ein halbes Rind gebraten, zerschnitten und verwurstet zwar, aber nicht so, dass wir uns das wirklich zu Gemüte führen mögen. Blutwurst, Innereien und die guten Stücke sind zäh, weil durchgebraten und von saignant hat noch niemand was gehört. Aber es wird alles gegessen und was bei uns in der Schweiz aus Uruguay an Fleisch eingeführt wird, ist etwas völlig anderes, als das was hier auf den Teller kommt. Gewürzt wird praktisch nicht, es stehen Mayonnaise, ohne die geht gar nichts, Ketchup und eine Chimichurri Mischung zur Verfügung. Damit würzt man selber. Aber das Chimichurri ist auch nicht wirklich würzig, eher knoblauchlastig.
Süss sind die Uruguayer. Was am Salz gespart wird, wird mit Zucker kompensiert. Bis jetzt war es unmöglich, ein Naturejoghurt ohne Zuckerzusatz zu finden. In den Panaderias, den Bäckereien, ist Brot der kleinste Teil. Da gibt es grosse Auslagen von Buttercrèmetorten, allerlei Stückli und Gipfeli, die hier Medialunes heissen, das südamerikanische Nationalgebäck Alfajores – ein Doppeldeckerguetzli mit einer Füllung aus Dulce di Leche und Schoggiüberzug. Dulce die Leche ist DIE Süssigkeit, ohne die gar nichts geht. Alles ist gefüllt mit dieser dicken Caramelcrème. Auch auf dem Butterbrot ist sie köstlich und es wundert mich, dass die Unesco dieses Produkt nicht schon auf die Liste der „schützenswerten Nahrungsmittel“ aufgenommen hat.
Aber vielleicht ändert das ja bald, denn es wird ein neuer Präsident gewählt, die Wahlpropaganda ist riesig und in der hintersten Ecke sind die beiden Kandidaten aufgehängt und strahlen um die Wette. „Uruguay no se detiene“ – „Avanzamos Uruguay“ sind die Leitsprüche „Uruguay bleibt nicht stehen“- „Wir gehen mit Uruguay voran“.
Auf den Strassen geht es ruhig und unspektakulär her. Die 3.3 Millionen Einwohner verteilen sich auf das viermal so grosse Land wie die Schweiz. Im Landesinnern gibt es keine grösseren Städte als die jeweiligen Hauptorte der Departemente mit je ca. 50‘000 Bewohner. Unterwegs ist man entweder mit einem immer noch fahrtüchtigen „Oldtimer“ oder mit einem Kleinwagen oder noch besser mit einem Pickup (@ Manuel: Ich weiss jetzt wie ein Amarok aussieht 🙂 ), oder mit dem Roller, aber v.a. hat das Pferd noch nicht ausgedient. Es gibt immer noch Einspänner mit Anhänger. Und das viele Vieh und die Schafe werden selbstverständlich mit dem Pferd zusammengetrieben. Die meist traditionell gekleideten Reiter, die heute zwar keine richtigen Gauchos mehr sind, aber noch so heissen, sind eine Augenweide. Weite Pluderhosen mit einem breiten Gurt, in dem je nach Witterung der Poncho zusammengefaltet und über die Schultern geworfen eingesteckt wird, ein Hemd, ein Beret oder ein schöner Hut, geschmeidige Lederstiefel.
Einen richtigen Uruguayer erkennt man übrigens an einer unter den Arm geklemmten Thermoskanne. In der Hand hält er einen Becher in dem eine Bombilla steckt. Die Thermoskanne ist mit heissem Wasser gefüllt, das auch am Strassenrand verkauft wird; der Becher meist ein ausgehöhlter und reich mit Silber verzierter Kürbis enthält das Teekraut „Yerba Mate“ und durch die Bombilla, den Silberlöffel mit einem Sieb, wird das Gebräu eingesogen. Mate wird immer und überall mitgenommen, es gibt extra Taschen dafür und sogar wer ins Ausland reist, nimmt seine Utensilien mit. Alle trinken Mate den ganzen Tag, der Schalterbeamte auf der Bank hat seinen Matebecher neben seinem Arbeitsplatz, die Gemüseverkäuferin hat ihn neben der Kasse, die Serviertochter hat ihn auf dem Tresen, der Lehrer auf dem Schulausflug mit dabei, auf dem Spaziergang und sogar während dem Autofahren wird Mate geschlürft. Drum fahren sie ja auch so langsam.
Der Bildungsstand in Uruguay ist hoch. Auf dem Land gibt es überall die sogenannten Escuelas Rurales, die alle nummeriert sind. Meist sind es Gesamtschulen. Die Kinder und die Lehrkräfte tragen weisse Ärztekittel. Uniformen haben nur Privatschulen. Alle Schüler verfügen über einen kleinen Laptop, mit denen sieht man sie dann auf dem Heimweg. In grösseren Dörfern gibt es Sekundarschulen und Gymnasien. Und überall gibt es auch Landwirtschaftsschulen. Viele Gemeinden verfügen über Sportkomplexe, mit Fussballplätzen, teilweise Schwimmbädern, Grill- und Campingmöglichkeiten.
Hasta luego – bis zum nächsten Mal aus Argentinien!