19. August – 29. August 2025
Kabanga (Border Post zu Tansania) – Rusumo (Border Post Ruanda) – Kigina – Kigali – Gitarama – Ruhango – Nyanza – Butare – Nyungwe NP – Lake Kivu – Pfunda – Musanze – Kinigi – Cyanika (Border Post)
Obwohl Burundi und Ruanda Nachbarn sind, ist die direkte Grenze geschlossen und eine Aus- resp. Einreise nur via Tansania möglich. Ein one-stop Border Post, das heisst, alle Formalitäten werden im gleichen Gebäude für beide Länder erledigt! Easy going!
Das Wetter wird schlecht, Nieselregen, Nebel und eine 20km endlos wirkende Baustelle mit einem enormen Lastwagenrückstau bis praktisch zur Grenze und wir mitten drin.
Auch hier ist der Bürokram schnell und freundlich erledigt und es werden keine Visagebühren für Ruanda abgerechnet. Dass der Zoll unser Gepäck scannen will, ist eine andere Geschichte. Fotoapparat und Laptop werden gedrückt und es ist den Offizieren unverständlich, dass wir keine Koffer oder Taschen haben. Resigniert geben sie auf, scannen meine Handtasche, fertig. Bienvenu à Rwanda.
Wir fahren wieder rechts und sprechen französisch wie in Burundi. Aber? Wo sind wir nur angekommen? Ein kurzer Kulturschock, Europa??? Perfekter Asphalt, pro gefahrenen Kilometer sicher eine Radarkamera, Abfallkübel, kein Müll am Strassenrad, getrimmte Rasenflächen, hübsche Cafés mit perfekten Kaffeemaschinen allenthalben. Unser Spruch: «Beim nächsten Café kehren wir ein», wird obsolet, soviel Kaffee mögen wir gar nicht trinken. Auch die Menschen sind so anders hier, kein Lachen, kein Winken, ausdruckslose Blicke, einzig Kinder in den Westprovinzen rufen: «Umuzungu gimmi Money». Französisch ist bei den Jungen verpönt. Kein Wunder, wenn man die Zeitgeschichte liest.
Von den Belgiern wurden die Ruander in 3 Kategorien eingeteilt, die im Pass festgehalten wurden und Neid und Missgunst entstehen liessen, zumal die 15% Tutsis bevorzugt wurden, die 85% Hutu waren weitgehend vom gesellschaftlichen und politischen Leben ausgeschlossen. Tutsi wurde, wer mehr als 10 Rinder hatte, Bauern waren Hutus, Töpfer und Landlose wurden zu Twa. Die 3 Stämme hatte es bereits vor den Belgiern gegeben, und die Könige wurden immer von den Tutsi gestellt. Das System war aber durchlässig. Als die Hutu unter Präsident Habyarimana von 1973 – 1994 Jahren die Regierungsmacht stellten und gegen die Tutsi in Presse und Radio diskriminierend rassistisch arbeiteten, flüchteten viele Tutsis in die Nachbarländer. Der 4-jährige Bürgerkrieg artete am 7. April 1994 nach dem Abschuss des Präsidentenflugzeuges, zum totalen Eklat aus, der erst Mitte Juli durch den Einmarsch der RPF durch Paul Kagame, dem heutigen Präsidenten, gestoppt wurde. Radikale Hutu töten während des 100 Tage dauernden Genozid ca. 1 Million Tutsis und moderate Hutus, 300’000 Kinder werden zu Waisen mit einer unsicheren Zukunft. Im ganzen Land zeugen Genozid Gedenkstätten mit Opferlisten von diesen grausigen Tagen. Die grösste steht in Kigali, 250’000 Menschen sind dort beerdigt. Versagt hat einmal mehr auch die Kirche, denn die Kath. Kirchen Ruandas, mit einem Schweizer Bischoff, unterstützten die Hutu.
Normalerweise sind Hauptstädte chaotisch, übelst verpestet und vermüllt. Nicht so Kigali. Eine Vorzeigestadt, sauber, organisiert, modern. Hier fahren Elektroautos, inkl öffentlichen Ladestationen, es gilt ein obligatorisches Helmobligatorium für Motorräder inkl. Passagier. Keine 4 Passagiere mehr auf einem Motorrad! Fertig lustig. Und trotzdem finden wir Viertel mit etwas chaotischem Afrikaflair.
In Nyanza besuchen wir ein Freilichtmuseum mit der Nachbildung des Königspalastes. Eine wunderschöne grosse Kuppelhütte aus Naturmaterialien, die dem Convention Centre in Kigali als Vorbild diente. Solche Kuppelhütten in kleinerer Ausführung, dienen der Bevölkerung bis in die 1990iger Jahre als Behausung bevor sie wegen Brandgefahr verboten werden. Imposant sind die Inyambo Kühe mit ihren aussergewöhnlichen Hörnern. Der Hornumfang an der Basis variiert von 10-90cm bei einer Länge von bis zu 240cm und 50kg Gewicht. Die friedlichen Tiere symbolisieren die Bedeutung des Halters. Eine Kuh möchte man sein: dann würde einem vorgesungen, man würde massiert und ein spezielles, salzhaltiges Getränk würde serviert. Die Nachzucht ist kompliziert und mit der Massenflucht vor dem Genozid verlor Ruanda viele Züchter, das Statussymbol wird heute unter staatlicher Aufsicht nachgezüchtet.
Das ‘Land der 1’000 Hügel’ macht seinem Namen alle Ehre. Unsere Reise ist mit Ohrendruck verbunden, hinunter auf 1’000m, hinauf auf über 2’000m und das immer wieder. Die Hügel sind entwaldet, denn die äusserst fruchtbare Vulkanerde und das moderate Klima lassen einfach alles wachsen. Die Menschen sind wahre Landschaftsarchitekten, was auf Kosten der heimischen Natur geht. Was nicht als Nationalpark geschützt wird, wird urbar gemacht. Nach soviel Landwirtschaft tut eine Fahrt durch den Nyungwe Nationalpark mit seinem imposanten Regenwald gut und dass wir die Östlichen Vollbartmeerkatzen sehen, setzt dem Tag das Krönchen auf.
Auch wenn in Ruanda jedes Kind zur Schule geht, in den Ferien wird gearbeitet und auf dem Feld geholfen, Wasser getragen oder schweres Zuckerrohr, der Schleckstengel aller Afrikaner, auf dem Kopf balanciert. Die Gegensätze sind auch hier gross obwohl eine breite Mittelschicht besteht. Schwerbeladene Fahrräder kontrastieren mit den Karbonfahrrädern der ruandischen Veloteams, die auf den kurvenreichen Strassen für die kommende Radweltmeisterschaft in Kigali trainieren.
Die ‘1000 Hügel’ dürfen auch als witzige Dachkonstruktion des Ethnografischen Museums in Mutare herhalten. Eine interessante Ausstellung widmet sich hier den traditionellen Körben, den Agaseke, Ibiseke und Inkangara (Einkaufskorb). V.a. die ersten beiden Körbe für Schmuck oder Geschenke, Nahrungsmittel, die im übertragenen Sinn einen Schutz verkörpern, erlangen nach dem Genozid eine neue Bedeutung. Frauen schliessen sich zusammen um sich mit ihrer Handwerkskunst einen neuen Broterwerb zu sichern. Die Körbe werden zum Symbol für Einheit und Schutz. Geschenke werden auch heute traditionell in einem Agaseke überreicht. Und fast jedes Ortschild ist mit einem Agaseke verziert.
In der ‘Schweiz Afrikas’ gibt es neben Hügeln und Bergen auch Seen. Der Lake Kivu ladet zum Bade und Bootfahren obwohl er der gefährlichste See der Welt ist, denn wegen vulkanischer Aktivität am ostafrikanischen Grabenbruch thront er über einer riesigen Methanblase. Diese wird zur Verminderung der Ausgasung abgesaugt und liefert Energie für Stadt Gisenyi und eine Brauerei. Bei einer Ausgasung der Gasansammlung würden Mensch und Tier im Umkreis von 40km ersticken. 2 Mio. Menschen leben in der Gefahrenzone. Wir haben uns für Baden und Bööteln entschieden und werden nicht enttäuscht. Die Sicht von der Île Napoléon ist gigantisch und die Begegnung mit den fruchtfressenden Fledermäusen ein Spektakel für sich. Ein schwarzer Himmel und ein Riesengeschrei sind Beweis für ihre Heimkehr zu den Schlafbäumen, wo sie tagsüber hängen.
Wir kurven weiter hügelauf und hügelab, gönnen uns einen letzten feinen Latte mit Muffins und bewundern in Kinigi, unserer letzten Station, das ‘Dian Fossey’ Gorilla Museum. Sehr eindrücklich diese ‘Gentle Giants’. Wir werden sie kostengünstiger in Uganda besuchen. Vorerst begnügen wir uns mit der Sicht auf die Vulkane und den «Strohgorilla».
Empfohlene Bücher zum Genozid von Ruanda:
Lukas Bärfuss; Hundert Tage; ISBN 978-3-8353-0271-6
Hanna Jansen; Über tausend Hügel wandere ich mit dir; ISBN 978-3-7795-0517-4