64 – USA – Mit Kulturschock vom Sommer in den Winter

14. Oktober – 10. November 2017

Route: San Isidro > Joshua Tree N.P. > Los Angeles > Sequoia N.F. > Death Valley N.P. > Valley of Fire St.P. > Zion N.P. > Grand Canyon N.P. > Glen Canyon N.R.A. > Monument Valley > Natural Bridges N.M. > Arches N.P. > Jackson > Togwotee Pass > Dubois > Devil’s Tower N.M. > Mount Rushmore N.M. > Badlands N.P. > Rapid City > Duluth > Grand Portage N.M.

Der 43igste Grenzübergang auf unserer Reise führt uns ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten. So unbegrenzt sind sie aber nicht mehr. Während hier alles verboten ist, was nicht ausschliesslich erlaubt ist, war es auf dem südlichen Kontinent gerade umgekehrt, daran müssen wir uns zuerst gewöhnen. Es gibt keine Souvenirverkäufer mehr, keine Fressstände, keine Schlaglöcher und keine Schwellen, dafür rasender Verkehr auf 5-spurigen (in eine Richtung) Autobahnen der bei mir als Beifahrerin Herzrasen auslöst. Die Wohnsiedlungen sehen aus wie Puppenstubenhäuser, die Vorgärten perfekt getrimmt, alles klinisch sauber, direkt am Rand des Highway, Lärm scheint nicht zu stören.

Wir suchen Ruhe in den Bergen und müssen uns zuerst an die Hektik gewöhnen, wir finden sie im San Bernardino State Forest. Idyllwild, nomen ist omen, wildromantische Ferienhäuser prospektgleich inmitten von alten Pinien hoch und alpin gelegen, die Schneepflüge sind geparkt, die Schneestangen gesteckt, die gehäkelten Schneesterne prangen hinter den Fensterscheiben. Wir blicken von einem windigen Aussichtspunkt auf den San Andreas Graben hinunter, Wüste nichts als Wüste, Palm Springs mit seinen Casinos, Dattelpalmen, Zitrusplantagen, den Bewässerungkanälen sei Dank. In Kalifornien liegen die Extreme in nächster Nähe.

Es ist heiss im Joshua Tree Nationalpark in der Mojave Wüste, aber daran sind wir gewohnt. Nur am Morgen ist es kühl – 7 Grad, nachmittags herrschen 38 Grad und Abendessen tun wir bei 21 Grad. Sicherheitshalber werden die dickeren Decken griffbereit platziert.

Ein Höhepunkt erfolgt gleich am Anfang unserer Reise in Los Angeles. Wir freuen uns sehr, mit unserer ehemaligen Austauschstudentin Abigail und ihrem Mann Chris einen wunderbaren Abend in ihrem Garten verbringen zu können und schöne Erinnerungen auszutauschen. Danke an dieser Stelle für dieses feine Nachtessen mit selbstgefischtem mexikanischen Fisch und dem Gartengemüse. Es war schön bei euch.

Stefan plant unsere Weiterreise, solange es geht wollen wir uns in Nationalparks aufhalten, Stateparks entdecken und möglichst ruhig übernachten. Die Natur ist grandios, wenn auch die Nationalparks mittlerweile extreme Besucherzahlen zu verkraften haben. Im Death Valley sind aus Personalmangel nur noch zwei Campingplätze geöffnet. Also reihen wir uns nach langen Diskussionen mit einem Parkranger zwischen die riesigen Campervehikel ein. Wild campen ist absolut verboten. Aber das Tal des Todes ist immer noch jeden einzelnen Kilometer wert. Wir wandern am Zabriskie Point, geniessen die fantastischen Landschaften auf 4×4 Tracks im Saline- und Hidden Valley. Was hier für erfahrende 4×4 Autolenker ausgeschrieben ist, sind die normalen Alltagsstrassen in den Anden. Doch im Zion geben wir kopfschüttelnd forfait. Campieren kann man nur noch mit Reservation ausser man reiht sich in aller Herrgottsfrühe in eine Warteschlange ein (mit dem Auto natürlich), der Park kann auch nur noch mit einem Shuttlebus erkundet werden… nicht unser Ding. Am North Rim des Grand Canyon geht es uns genauso. Haben sie eine Reservation, fragt die Parkrangerin. Nein. Gut, dann auch keine Übernachtung hier. Ich schildere ihr unsere Reisesituation uns sie meint, wir hätten ja vor unserer Abreise aus der Schweiz aus eine Reservation machen können…autsch…Nur gut ist der Park in einer Woche definitiv geschlossen. Es ist kalt, es sind nur noch wenige Camper da und so gibt es schliesslich auch für uns einen Platz. Es ist nicht besonders schön zur Zeit, denn es wurde ein Feuer zum Schutz vor Verbuschung und Verwaldung gelegt und der starke Rauch zieht sich in den Canyon hinein.

Im Monument Valley stellen wir zum erstenmal schon zum Zmörgele die Heizung an. 4 Grad sind doch etwas ungemütlich. Gemütlicher wird es aber am Nachmittag. Unseren Nachmittagskaffee trinken wir gemütlich zwischen den eindrücklichen Wildwest Formationen. Dabei kommen wir uns vor wie im Zoo. Elsässer umzingeln uns und stellen uns Fragen über Fragen zu unserer Reise, Randulina wird zum tausendsten mal abfotografiert. Die Felsen scheinen weniger Eindruck gemacht zu haben als wir. Hätten wir jedesmal eine Spendenbüchse aufgestellt, wenn einer unser Auto fötelt, käme mittlerweile ein kleines Vermögen zusammen.

Bauarbeiten im Arches Nationalpark zwingen uns wieder einmal zu einer improvisierten Übernachtung. Glücklicherweise reisen wir mit dem genialen „iOverlander App“, das für solche Zwecke immer tolle Lösungen bietet und glücklicherweise verfügen wir über starke Nerven, nicht zu verzweifeln, wenn einmal mehr improvisiert werden muss. Den heutigen Apéro nach den vielen Wanderungen zu den eindrücklichen Steinbögen haben wir uns verdient. Es wird wohl der letzte im Freien gewesen sein.

Irgendwann müssen wir ostwärts und das will heissen, die Ausläufer der Rocky Mountains sind zu überqueren. Doch das ist nicht mehr so ganz einfach. Hinter Jackson, das in der Zwischensaison erstarrt ist, hängen Schneewolken. Unsere Rechnung, via Grand Teton in den Yellowstone Nationalpark zu fahren, geht nicht auf. Die Strassen sind geschlossen, fest verbarikadiert. Am Togwotee Pass erleben wir einen Schneesturm und sind froh, diesen 2944m hohen Übergang heil zu überstehen. Innert kürzester Zeit liegen 50cm Schnee da und die Sicht ist wegen Nebel etwas getrübt. Nicht aber unsere Laune. Stefan passt die Route wieder an. Wir fahren in dieser eigenartigen Nebellandschaft weiter zum Devil’s Tower. Und wer morgens früh aufsteht, den belohnen die Götter mit Sonne…genauso wie am Mount Rushmore. Dort lachen uns die gemeisselten Präsidenten an und nachmittags im Custer Statepark schlecken uns die Bisons das Salz vom Auto. In der unendlichen Prärie Süd Dakotas erleben wir eine grandiose Tierwelt bei eisigen Temperaturen. Aufwärmen dürfen wir uns in Rapid City bei Andrea und Paul, die wir am Grand Canyon kennengelernt haben. Sie verwöhnen uns ebenfalls einen Abend lang mit einem delikaten Nachtessen. (Thank you so much.)

Nun ist es nur noch bitterkalt. Tag und Nacht im Minusbereich, einmal zweistellig, einmal einstellig. Wir können buchstäblich zusehen, wie die Seen Minnesotas zufrieren.

Das bedingt auch, unseren Wasserhaushalt gut zu organisieren. Abends muss unbedingt die Wasserleitung entleert werden, der Grauwassertank wird mit Enteiser befüllt, der WC Tank ist leer, zum Glück, sonst gäbe es dort ein gelbgefrorenes Problem. Wir haben etwa 12 Liter Wasser in zwei Bidons, Flüssiges für alle Fälle. Noch ist es nicht soweit, dass wir alles was nicht gefrieren darf, in den Kühlschrank legen müssen.

Alle Campingplätze sind saisonal geschlossen, wir schlagen uns irgendwo ins Gebüsch, an einen See, werfen die Heizung an und geniessen ein Glas sonnengereiften mexikanischen Wein. Und jetzt haben wir endlich die Musse einmal einen unserer Filme zu schauen, die uns jemand in Bolivien auf den Computer geladen hat (Danke Claudia und Martin.) Nachts kuscheln wir uns in die Daunenschlafsäcke und mit unseren Muotathaler Schafwollduvets finden wir es mollig warm. So wie wir uns an die Amazonashitze gewöhnt haben, so gewöhnen wir uns an die Winterkälte und eigentlich macht es uns gar nichts aus.