11 – Westalpen

21. Juli 2021 bis 20. August 2021

Die Westalpen sind Synonym für vieles: abenteuerliche Strassen für Offroadfahrzeuge, einsames Campen, grandiose Ausblicke verbunden mit viel (Kriegs)geschichte. Auch wir wollen diese Strassen einmal genau unter die Räder nehmen und selber testen, ob die Offroadforen nicht zuviel versprechen

Mit der wohl steilsten Zubringerbahn zu einem Stausee, der Gelmerbahn, geht es bereits zu Beginn unseres Abenteuers hoch hinaus. Unsere Statistik betreffend Bergseeschwimmen erweitert sich! Am nächsten Tag in Italien, wieder ein Bad in einem Bergsee, da will sich doch tatsächlich eine Ringelnatter in meinen Rucksack hineinringeln. Uff, blinde Passagiere sind nicht erlaubt.

Die Täler in den italienischen Alpen sind so eng, dass wir den Vollmond nicht sehen können, ob der Mond wohl mal eine Raumforderung stellen müsste? Dafür ist die Aussicht prächtig, Weissthor, Cima di Jazzi – Dufourspitze lassen grüssen. Wir steigen in 4 Stunden die rund 1600hm von Macugnaga hinauf zum Passo di Monte Moro und zur Madonna della Neve, bis jetzt kommen nur unsere Wanderschuhe in den Genuss, sich offroad zu betätigen.

Die nächsten Tage bummeln wir durch Walsersiedlungen, unglaublich, wohin es diese Schweizer Auswanderer hingezogen hat. Enge, steile, unwirtliche, einsame Gegenden, immer zuhinterst in den Tälern haben sie sich niedergelassen und der Natur etwas mehr abgetrotzt, da es daheim im Wallis zu wenig für zu viele Menschen gab. Ausgelost wurden sie, jene die das Los traf, mussten auswandern.

Wir ziehen weiter, werden im Bergdorf Trivero von einer riesigen Fabrik überrascht. Das Geheimnis lüftet sich schnell – Ermenegildo Zegna, Herrenmode im obersten Preissegment, hat hier seinen Hauptsitz. Die Grossweberei produziert jährlich 2000km feinste Wollstoffe mit über 400 Angestellten. Die Zegna-Familie hat ein Naturreservat ins Leben gerufen, die Oasis Zegna, wo wir einen idyllischen Schlafplatz finden.

Noch ist vom Pistenfahren nichts zu spüren, immer noch wandern wir zu Fuss und geniessen Begegnungen mit Murmeltieren und Gämsen, denen in diesem nasskalten Sommer der Winterpelz nicht richtig ausfallen will. Wir wandern trotz Nebelschwaden im Nationalpark Gran Paradiso, besichtigen Unesco-Welterbeklöster und fahren über den Colle del Nivolet (2612müM), wo einst Sequenzen des Films „The Italian Job“ gedreht wurden. Also schon mal ein wenig Action!

Langsam wird es etwas wärmer, die Apérozeit geniessen wir an der Sonne, in Susa ist es richtig heiss, drum ab auf die Haarnadelkurven, welche uns auf den Colle de Finestre führen. Und hier oben, nach einigen Kilometern Schotter trifft man dann auf die ersten „Offroadfahrer“ zumeist Schweizer und Deutsche! Da bei uns alles verboten ist was Spass macht, weicht man aufs nahe Ausland aus.

Obwohl, „Offroad“ ist ein sehr grosses Wort, man fährt auch hier auf Strassen, gut in Stand gehalten, nie über Wiesen und Äcker, man respektiert die Natur, „Offroad“ im Sinne von „weg-von-der-Strasse“ gibt es nicht, es sind Schotterpisten vom Feinsten, genau das, was in Südamerika die tägliche Strasse bietet, bis man es nicht mehr sehen kann!

Die Assieta, 42km lang, mit einer max. Steigung von 15% und 6 Pässen ist eine sehr einfach zu befahrende Strasse. Wir übernachten bei einem Kriegerdenkmal, wo 1747 Schweizer Söldner im Heer des Savoyerkönigs gegen die Franzosen kämpften. Wir sind nicht zu einem Kampf gezwungen und geniessen im ausgestorbenen Sestriere Kaffee und Kuchen. Dank guter Wetteraussichten nehmen wir von Bardoneccia aus den Colle de Sommeiller in Angriff. Er ist das Highlight aller „Offroader“, da er mit 2995m der höchste befahrbare Alpenpass Europas darstellt. Es kommen uns Karawanen mit geführten 4×4 Touren entgegen, kaum ist der Mensch seiner Komfortzone enteilt, will er geführt werden. Wir bezahlen die 5 Euro „Eintrittsgebühr“ in den Schotterpark, dürfen dafür über Stock und Stein ruckeln, die Aussicht bestaunen, uns über einen kaltes Bad im Lago Sommeiller freuen und bekommen dafür einen unbeschreiblich einsamen Lagerplatz.

Auch die nächsten Tage freuen wir uns über schönes Wetter und fahren vom Piemont nach Frankreich. In Briançon meldet sich Vauban, der grosse Festungsbauer von Louis XIV. Seinen Festungen aus dem 17.Jh sowie den Spuren Napoleons im 18. Jh. folgen wir auf Schritt und Tritt. Und natürlich Stefans Velospuren im 21.Jh. über die vielen Pässe durch die Alpen. Alle bekannten Tour de France Pässe spulen wir ab, dazwischen geschotterte, wo er einst mit seinem Freund Ruedi das Velo getragen hat, da gibt es abendfüllende Abenteuergeschichten.

Die nächsten Tage geniessen wir wieder Schotterpisten. Leider ist die Abfahrt vom Tunnel de Parpaillon ins Ubaye Tal wegen eines Murgangs gesperrt, so bleibt uns nur die Rückfahrt ins Durance-Tal. Schade. Dafür kommen wir ins Gespräch mit den Bikern von kamchatkaraid.it. Darauf lockt wieder eine Kammstrasse: Die Meira-Stura führt auf 2500müM und ist eine schöne Pistenstrasse. Steinböcke, einsame Bauernhöfe und ein Stadtbummel durch Cuneo sind Höhepunkte.

Wanderungen sind angesagt, Bergseen locken zum Schwimmen, Schafherden blöken auf den riesigen Weiden. Viel Glück bewahrt uns vor einer Busse beim Col de Tende. Die alte Passstrasse führt in 47 Kehren hinauf zum Fort, wo die Ligurische Grenzkammstrasse hinunter nach Ventimiglia führt. Auch diese Passstrasse diente vor allem militärischen Zwecken und wurde in der Mussolinizeit stark frequentiert. Zahlreiche Forts sind Zeugen düsterer Vergangenheit. Also ab nach Frankreich, doch auch hier meldet sich das Militär, die Maginotlinie ist überall präsent. Da loben wir uns die kleinen provenzalischen Bergdörfer, wo gerade Lavendel geerntet wird und wir in einer Destillerie zusehen dürfen, wie Lavendelöl produziert wird. Auch in Frankreich gibt es viele spannende Passstrassen, geschottert, durch Skigebiete, hinauf zu monströsen Forts, hinunter durch neblige Wälder, spannend allemal und immer die Frage, wo übernachten wir wohl als nächstes. Die Auszeit endet mit einer allerletzten Wanderung vom Grossen St. Bernhard zu den Lacs de Fenêtre.

Fazit: Die Westalpen sind ein wunderschönes Gebiet, nicht nur für Pistenfahrer sondern auch für Wanderer und Naturliebhaber! Wer allerdings in Südamerika unterwegs war, dem entlocken die Strassen ein müdes Lächeln. Natürlich haben wir nicht jede noch steilere und somit „geilere“ Nebenstrasse gefahren, aber wir haben auch unser Schneckenhaus dabei. Es gilt, sich vorher gut zu informieren, denn an bestimmten Tagen und in den Sommermonaten können einige Strassen gesperrt sein, ebenso sind gute Wetterverhältnisse von Vorteil, gerade der Parpaillon Tunnel bietet diesbezüglich seine Überraschungen.