09 – Weshalb zwei neue Velo-Trikots und ein Saunagang eine 1‘400km lange Velotour nach sich ziehen.

Mai / Juni 2021

Ich sitze vor dem Computer und bestelle mir zwei neue Veloleibchen, da ich wieder vermehrt biken möchte. Eine Woche später, bei kältestem Wetter kommt Stefan aus der Sauna und vermeldet mir seine neueste Idee. Damit ich mit meinen neuen Trikots nicht nur ums Haus herum pedalen muss, schlägt er mir eine gemeinsame Velotour zu allen Kantonshauptorten der Schweiz vor.

Wir setzen uns mit Waage, Rucksack Veloausrüstung und allem was man so braucht um 20 Tage im Sattel zu verbringen an den Tisch. Es wird eingepackt, gewogen, neu gepackt, weggepackt und umgepackt bis wir schliesslich leichtgewichtig mit einem Tagesrucksack unsere Tour antreten.

Anfänglich sind noch nicht viele andere Velofahrer unterwegs, zu kalt und unbeständig ist das Wetter, Restaurantbesuche sind nur im Freien möglich, Abendessen sind nur in Hotels mit Zimmerbuchung erlaubt. Wir erleben viel Positives, Hoteliers, die extra für uns auftischen, weil wir die einzigen Gäste sind. Ab und zu starten wir ein kurzes Telefon zu Freunden, die am Weg wohnen und für uns Kaffee kochen, weil es draussen zu kalt oder zu windig ist. DANKE!

Dass die Schweiz ein hügeliges Land ist, wissen alle, dass wir aber ausgerechnet im Basel- und im Züribiet 1000 Höhenmeter pro Tag strampeln, erstaunt aber auch uns Bergziegen. Am Tag nach der 2. Impfung scheinen die Veloräder viereckig zu sein, der Flow will sich nicht einstellen, so auch am zweiten Tag nach der Impfung, der Weissenstein kommt uns auch von der Basler Seite her viel zu steil vor. Doch alles ist vergänglich, der Flow stellt sich wieder ein und die Landschaften mit hübschen Dörfern, schmucken Städtchen, Schlössern, Brücken ziehen uns in ihren Bann.

Die Velotour ist geprägt von Düften, das feine Parfum des Flieders und Holunders, der Heckenrosen und Glyzinien überduftet die Schweinemastställe. Raps- und Getreidefelder mit Mohn und Kornblumen sorgen für Farbtupfer. Im Seeland werden gerade Spargeln geerntet, im Rüebliland Aargau gelüstet es uns, hinter der Erntemaschine die kleinen orangen Dinger, die aus dem Sortierer gefallen sind, aufzusammeln. Aber nein, ein Gewitter droht. Wir werden nass bis auf die Knochen, dazu weht ein eisiger Wind und natürlich geht es nur abwärts, nachmittags ist der Spuk vorbei und wir trocknen Schuhe und Socken auf einem Dorfplatz bei einem warmen Kaffee. Ab und zu haben wir Glück und können in einem Wald unterstehen, bis das gröbste vorbei ist. Doch meist ist es sonnig und es wird wärmer, wenn nicht sogar heiss und schwül.

Just vor dem Palais Lumière in Evian schreie ich Stefan zu: „Wir haben die 1‘000km Marke erreicht!“ Mit Crèpes und einem Monaco wird gefeiert. Aus diversen Gründen geht es von Sion mit der Bahn heimwärts und wir setzen unsere Route anders fort als geplant.

Es fehlen noch 6 Kantonshauptorte, doch noch ist es ein weiter Weg bis Bellinzona und die Königsetappe Gotthardpass flösst uns Ehrfurcht ein. Es werden spannende Tage durch die Zentralschweiz, wir teilen sie so ein, dass wir neben der radelnden Aktivität Zeit finden, zu wandern (mit Velo) oder bequem mittels Luftseilbahn auf den wohl schönsten Ausflugsgipfel der Zentralschweiz zu gondeln. Der Gotthardpass kommt in Reichweite, Helios ist uns prächtig gesinnt und schickt einige Wölkchen, damit die 1600 Höhenmeter nicht noch schweisstreibender werden. Der Nebel auf dem Ospizio verzieht sich während wir unser wohlverdientes Tessinerplättli mit einem Glas Tessiner Merlot geniessen. Bald schwimme ich im eisigen Lago della Piazza eine kleine Runde. Wie schon der Aufstieg erfolgt der Downhill auf General Suworows Spuren. In Bellinzonas südlichem Charme lassen wir unser Erlebnis bei einem kühlen Bier ausklingen. Die Velos werden später in den Treno Gottardo geladen und heimwärts geht’s.

Fazit: Die Schweiz ist ein wunderbares Veloland, die Velowege sind perfekt markiert. Bei einem Reiseunterbruch stehen an allen grossen Bahnhöfen Velostationen zur Verfügung, die das sichere Einstellen des Velos ermöglichen. Viele Hotels sind auf Velofahrer eingestellt und bieten Velogaragen für die Nacht an.

Spürst du das Ziehen in den Wädli? Unsere Route findest du hier.