04 – Zu Zweit, mit Freunden und dem Kuckuck am Sandwich essen.

2. bis 16. Juni 2018

In diesen Frühsommerferien wollten wir etwas Spezielles tun: uns durch ein ziemlich dickes Sandwich essen. Nicht so ein gewöhnliches, sondern ein Delikatessbrötchen sollte es sein. Und so haben wir uns aufgemacht, Wanderschuhe geschnürt, Rucksack gepackt mit Freunden und dem Kuckuck um ein sehr spezielles Vergnügen zu geniessen.

An einem wunderschönen Samstagmorgen setzen wir uns in den Zug nach Schaffhausen, treffen uns in Zürich mit Regula und Heinz und in Schaffhausen stossen Brigitte und Oskar dazu. Den beiden Mitschlemmern Barbara und Dieter wird es schon daheim schlecht und der Notarzt wird mit Bandscheibenvorfall von seinem eigenen Team hospitalisiert. Schade, sie bleiben hungrig daheim. Wir knabbern indes am Deckel unseres Sandwiches. Der nördlichste Grenzstein, der Schwarze Stein in Bargen, ist so quasi das Brot unseres Gourmetfrasses. Sehr knusprig für uns mit einem guten Buttergeschmack, diese unbekannte Region Randen, die Hügel, die Getreidefelder mit dem blühenden Mohn und den Kornblumen. Wir zupfen am Salamischeibchen. Doch schon bald kommt die Essiggurke. Es wird flach und immer flacher, die Sonne sticht, der schattenspendende Wald steht verkehrt herum, zum Glück haben wir am Sonntagmorgen von Schaffhausen nach Diessenhofen eine Schifffahrt gemacht und wir haben die stille Vorfreude auf Wildschweinwurst und ein Bad in einer Kiesgrube. Auch die Gurke wird gegessen und der Weisswein lässt uns beschwingt zur Kartause Ittingen wandern, wenn nur die stinkigen Blumenkohlfelder nicht wären. Da ist mir der Blick auf die Churfirsten lieber. Wir werden klösterlich Übernachten und freuen uns diebisch auf Petra und Martin, die uns mit einem Znacht überraschen. Erinnerungen an Südamerika werden ausgetauscht und am nächsten Morgen hilft Petra mit beim Aufessen der zweiten sauren Gurke. Wir überqueren die Thur bei Frauenfeld, Erntehelfer pflücken im Akkord Zucchetti. Erste Hügel und romantische Riegelhäuser erscheinen, es ist heiss, der Asphalt brennt an den Schuhsohlen. Unter Linden, auf einem Bänkli spülen wir die Essiggurke mit viel Wasser und Geknabber herunter.

Wir sind definitiv keine Flachlandwanderer und freuen uns auf den morgigen Anstieg aufs Hörnli (1133müM), dem zweithöchsten Berg des Kantons ZH. Vom abendlichen Gewitter sind wir im Kloster Fischingen bestens beschützt. Auf der Hörnlietappe, begleitet uns Hans und ich ziehe etwas Rohschinken aus dem Sandwich. Mit den Blumen auf dieser Etappe könnte man einen ganzen Blumenatlas füllen. Wer sagt, dass es in der Schweiz keine Magerwiesen mehr gäbe, der irrt gewaltig. In Gibswil dann ein kühles Blondes, auch das gehört zum Sandwich. Und von Wald nach Rapperswil nehmen wir den Bus. Judith passt uns mit dem Velo ab und wünscht uns gute Füsse, Blattern machen sich bemerkbar. Mit etwas Wehmut wandern wir auf dem Holzsteg nach Pfäffikon. Wir freuen uns auf eine weitere Tranche Rohschinken.

Auf dem Lützelhof werden wir von Fritzi und Liv begrüsst, Karin, Benno, Annelies und Hans bewirten uns auf’s Vorzüglichste, nur die Übernachtung im Zwergenhaus ist etwas kühl aber am anderen Morgen steht uns der Aufstieg zum St. Meinrad bevor, der wärmt. Vorbei an der Luegeten mit der wohl schönsten Aussicht auf den Zürichsee, vorbei am St. Meinrad, vorbei am Geburtshaus von Paracelsus, über die Teufelsbrücke und der Kuckuck ruft seinen Namen. Wir müssen nicht den ganzen Rohschinken aus dem Brötchen schlemmen, in Einsiedeln werden wir von Priska und Hanspeter zum Zmittag eingeladen. Geräucherte Forellen im Sandwich schmecken lecker. Die nachmittägliche Etappe führt uns über den höchsten Punkt des Jakobsweges in der Schweiz, die Haggenegg (1414müM), wir machen Rast bei der Kapelle und ich stemple den Pilgerstempel in mein Tagebuch. Am späten Nachmittag erreichen wir Schwyz. Schnell in die Apotheke um Blasenpflaster und Hirschtalgcrème zu kaufen. Die Füsse werden gepflegt, sie haben es verdient. Dieter bekocht uns, das schafft er sehr gut mit seiner Diskushernie.

Anderntags, gut gestärkt, wagen wir uns ans Filetstück im Sandwich. Der Kuckuck ist mit dabei als wir aus der Stoosbahn steigen. Zum Glück blühen die Frühlingsblumen, das Wetter ist herbstlich kühl und neblig. Alpenrosen, Anemonen, Knabenkräuter und noch viele mehr. Wir erreichen gegen Mittag die Lidernenhütte, da findet grad ein Kochkurs statt, doch essen tun die Köche das Gekochte selber, also knabbern wir weiter an unserem Filetstück der Wanderung. Steil geht es hinauf, über Schneefelder, der Boden ist weich und moorig, Soldanellen strecken ihre Köpfe aus dem dürren Gras. Ein Schneehuhn fliegt auf, ein anderes vertraut auf seine Tarnung, endlich ist der Übergang beim Rossstock erreicht. Ich fühle mich beim steilen Abstieg der Rossstocklücke etwas überfordert, lose Steine, steile Schneefelder, das Filetstück ist etwas zäh. Auf der Passhöhe des Kinzigpasses, Chinzig Chulm geniessen wir die Aussicht. Weit unten liegt das Tal mit Altdorf, die Autobahn… wir hören hier oben nur die Stille und das Pfeifen der Murmelis. Der Kanton Uri ist stotzig, so sind wir froh, ab und zu eine Etappe mit einem spektakulären Seilbähnli abzukürzen. Das ist nicht für jedermanns Nerven, schont aber die Knie gewaltig. Ja und seit wir jeden Morgen und Abend die Füsse mit Hirschtalg einreiben, wandern wir wieder wie der Kuckuck fliegt. Der feine Meerrettichtupfer im Brot ist nicht zu finden, auf dem Seewlisee schwimmen noch Eisschichten, das Bad fällt dahin. Der Abstieg zu den Chilcherbergen ist steil und macht weiche Knie. 1000m Abstieg auf 3km, es kommt mir vor wie senkrecht. Wir freuen uns auf’s nächste Seilbähnli und fahren mit dem Bus nach Amsteg. Hier müssen wir unsere Wanderpläne ändern. Es liegt immer noch zuviel Schnee um über die Fellilücke zur Maighelshütte zu wandern und weiter nach Airolo. Aber das Filetstück haben wir.

Der Sonntagmorgen ist traumhaft, Airolo erreichen wir mit dem Zug und ennet dem Gotthard ruft uns der Kuckuck zu als wir den steilen Aufstieg zum Ritomsee unter die Füsse nehmen. Glücklicherweise können wir das dicke Ei im Wald geniessen. An der Sonne wäre es kaum zum Aushalten. Ich finde Morcheln am Wegrand, die bereichern das Sandwich ebenfalls. Enziane blühen, Orchideen in Variationen. Das Wasser trinken wir auf einem moosigen Stein und meinen es müsste Champagner sein. Das Leben ist einfach, herrlich. Wir kommen früh am Nachmittag im Rifugio Ritom an, hier gibt es Liegestühle auf der Terrasse.

Tags darauf verlässt uns das Wetterglück. Es schifft Bindfäden… Doch der Kuckuck ruft uns und wir wandern los als der Regen etwas nachlässt, steigen über von Lawinen gefällte Baumstämme, die heutige Einlage im Sandwich schmeckt etwas moderig. Wir warten ein Gewitter ab und mangels Eichen-sollst-du-meiden-Buchen-sollst-du-suchen setzen wir uns unter einen Ahorn, der das gröbste Nass von uns abhält. Der Kuckuck ist auch ruhig. Im kleinen Bergdorf Lurengo nimmt uns der Schulbus nach Ambri-Piotta mit. Wir fahren mit dem Zug nach Faido, bei Cappuccino warten wir den Regen und das Postauto nach Cavagnago ab. Im kleinen hübschen Nest werden wir von unserer Gastgeberin auf’s Delikateste bekocht. Tessiner Risotto, Tessiner Merlot, die Sonne lacht, wir trinken die Flasche auf Balkonien und bestaunen die Aussicht.

Das Wetter macht gute Laune, doch als Sonja und Eliane am nächsten Tag eintreffen regnet es leicht. Aber auch dieser Teil des Sandwiches ist gourmetmässig, der Kuckuck ruft uns wieder zu, die Wiesen sind voller Blumen, das Farn ist hoch und kitzelt nass an den Beinen, wir haben viel zu erzählen, fotografieren die granitgedeckten Häuser, die Kastanienwälder bieten Regenschutz. Gegen Biasca zu röhrt der Lärm der Steinbrüche, der Autobahn und wir steigen über viele Treppenstufen ins Tal hinunter. Morgens werden wir das alles wieder aufsteigen müssen. Der Wanderweg beginnt gleich hinter unserem Hotel in Giubiasco. Die Tessiner Salami ist rassig, abwechslungsreich und vielfältig, Feuerlilien und Alpenrosen, nur schade, dass wir auf dem Cima di Medeglia nach geschafften 1000 Höhenmetern wie in Watte verpackt auf dem Gipfel sitzen. Dass wir uns Rivera nähern hören wir schon lange, Schiessübungen auf dem Zivilschutzgelände und der rasende Autobahnlärm. Ja Essiggürkli gibt’s im Tessin auch.

Die Monte Tamaro-Monte-Lema Tour ist vom Feinsten. Hans begleitet uns nochmals, stahlblauer Himmel, rechts unten der Lago Maggiore, links in der Tiefe der Lago di Lugano, das leuchtende Pink der Alpenrosen, weisse Paradieslilien, Schmetterlinge, wir essen die Bresaola mit Rucola und Parmesan im Sandwich. So langsam haben wir die Wurst vom Brot gegessen, wir kommen wieder zur feinen Butter. Der Kuckuck weckt uns am Morgen in Miglielia. Eine Schifffahrt von Ponte Tresa via Morcote bringt uns nach Brusino, von wo aus wir den steilen Weg nach Serpiano hinaufwandern. Die Aussicht auf den Schwanenhals des Lago di Lugano könnte nicht schöner sein. Tafelbutter vom Feinsten. Und dann am Samstag auf der 15. Etappe kommen wir zum Brot, immer noch knusprig. Der Grenzstein in Pedrinate hinter dem südlichsten Weinberg der Schweiz. Das Ziel ist erreicht. Das Gourmetsandwich ist gegessen und jetzt trinken wir den feinen Merlot del Ticino, ganz ohne Brot.

Unsere Route

Wandertag Startort Zielort Distanz km Höhenmeter
1. Tag Bargen (Schwarzer Stein) Schaffhausen 22 500
2. Tag Schaffhausen Warth 26 300
3. Tag Warth Fischingen 24 500
4. Tag Fischingen Pfäffikon SZ 23 700
5. Tag Pfäffikon SZ Schwyz 27 1200
6. Tag Schwyz Spiringen 18 1500
7. Tag Spiringen Amsteg 21 1500
8. Tag Amsteg Bergseehütte SAC 18 2200
9. Tag Bergseehütte SAC Ritomsee 15 700
10. Tag Ritomsee Cavagnago 29 1200
11. Tag Cavagnago Giubiasco 24 500
12. Tag Giubiasco Rivera 17 1100
13. Tag Rivera Miglieglia 17 1000
14. Tag Miglieglia Serpiano 13 600
15. Tag Serpiano Chiasso (Grenzstein 75B) 22 600