1. Juli – 18. Juli 2017
Route: Chetumal > Kohunlich > Tulúm > Playa del Carmen > Cancún > Cuyo > Chichén Itzá > Homún > Celestún > Uxmal > Campeche > Villahermosa > Palenque > Aguas Azul > Cascada Golondrina > Reforma Agria > Tziscao
Ich bin, während ich diesen Reisebericht schreibe, wahrscheinlich gefühlsmässig genau so weit von der Yucatán Halbinsel weg, wie ihr. In einem Jäckli, mit Socken und langen Hosen. So müsste man auf der Halbinsel nicht herumspazieren. Yucatán , ein Staat im Staatenbund Méxicos oder auch der Name der Halbinsel. Mein Bericht handelt von der Halbinsel. Yucatán, nur schon der Name rinnt wie Öl den Hals hinab. Wir befinden uns schon in Belize auf diesem „Erdteil“. Aber erst in México wird mir das so richtig bewusst. Unser 42ster Grenzübergang, der letzte in Lateinamerika. Unsere Mangos landen im Kühlschrank der Zollbehörde, dafür bekommen wir die Erlaubnis, unser fahrbares Häuschen 10 Jahre hier einzulösen, für uns gibt es 180 Tage Aufenthaltserlaubnis, nicht ganz gratis alles, aber insgesamt unbedeutende Beträge. Das Auto wird schlecht und recht äusserlich desinfiziert und der Entdeckungsreise steht nichts mehr im Weg.
Wir beratschlagen, dass wir nicht alle Trümmerhaufen der Mayas, Azteken, Mixteken und anderen –eken besichtigen werden. Aber, jeder Trümmerhaufen bietet Spannendes. Und Yucatán ist voll mit unwiderstehlicher prähispanischer Kultur. Ausserdem gibt es trotz sengender Hitze und grosser Luftfeuchtigkeit genügend Erfrischungsmöglichkeiten. Bei täglich 40 Grad und mehr und nächtlichem Temperatursturz auf „erfrischende“ 30 Grad nicht verachtenswert. Gerne geniessen wir nach der nächtlichen Garung im eigenen Saft ein kühlendes Bad. Die Cenoten wählen wir aber extrem wählerisch aus. Die mit glasklarem Wasser gefüllten Trichterdolinen, welche den Mayas oft als Kultplatz dienten, sind heute die ganz grosse Touristenattraktion und während den Sommerferien (Touristen aus USA und Europa erstürmen gerade México) überbelebt.
Die Bilderbuchstrände zwischen Tulúm und Cancún sind in Hotelbesitz und für Nicht-Pauschaltouristen praktisch unerreichbar, der Tourismus ist die grösste Geldmaschine. In diversen Vergnügungsparks kann sich verlustieren wer genug vom Hotelstrand an der Costa Maya hat, von Ziplining bis Schwimmen mit Delfinen im Aquarium ist alles im Angebot. Die ganze Küste gleicht einer riesigen Vergnügungsmaschinerie. Mögliche Campingspots sind meist laut und überteuert. Zum Glück gibt es da noch die Biosphären Reservate, wo wir uns zurückziehen können. Einen grossen Vorteil hat diese standardisierte Welt, das Einkaufen in den riesigen Lebensmittelgeschäften macht Spass: internationale Angebote von Gerber Fondue, französischem Brie bis zu argentinischem Wein und alles zu einem sensationellen Preisniveau.
Bei Cancún, am äussersten Zipfel werden wir nach unserer „Happy Hour“, (Stefan mixt perfekte Caipirinhas und serviert sie superfreundlich) und dem Znacht, bei Sternenlicht Zeugen, wie eine Karettschildkröte an Land krabbelt und ihre Eier ablegt. Ein eindrückliches Erlebnis, v.a. wenn man weiss, dass von 1000 gelegten Eiern ein einziges Schildkrötli das Erwachsenenalter erreicht um wieder an demselben Strand Eier abzulegen.
Im Biosphärengebiet Rio Lagartos, nicht mehr an der türkisblauen Karibik sondern am Golf von México gelegen, erwarten uns Flamingos, weitere Schildkröten und wir erwarten das Militär, weil wir in einem Sand-Salz-Schlick-Gemisch steckenbleiben. Das Militär versenkt dabei seinen Hummer und gräbt ihn mit unserer Schaufel wieder aus, während wir deren nichtfunktionierende Seilwinde bestaunen, wir alle stehen dabei im knöchel- bis knietiefen Matsch, doch nachts um 2 Uhr ist auch dieses Spektakel vorbei und das Militär wird wohl des Hummers Seilwinde auf Vordermann bringen müssen.
Apropos Seil erhalten wir in Sotuta de Peón eine schöne Lektion. Weit ab vom Schuss besuchen wir eine alte Seilerei. Hier werden aus Sisalagaven, die eigentlich Henequén heissen, nach alter Manier Seile gedreht. Die Henequén Seile wurden im Hafen von Sisal in die weite Welt verschifft und weil auf den Verpackungskisten „Sisal“ stand und niemand wusste was oder wo Sisal ist, erhielt die Ware den Namen des Verschiffungshafens. Die Geschichte der Agavenseile erinnert uns an die des Kautschuks. Reich wurde damit nur der Plantagenbesitzer, die Arbeiter standen in grösster Abhängigkeit zu ihrem Arbeitgeber. 1950 wurde die Produktion praktisch eingestellt, denn der Weltmarktpreis fiel zusammen, Brasilien produzierte günstiger und die Fasern des „grünen Goldes“ wurden durch Synthetik ersetzt.
Weiter geht die Fahrt über Hunderte von Topes (Schwellen), meine Leinsamen haben sich verselbständigt und ich darf sie abends bei schönster Sonnenuntergangsstimmung zusammenwischen. Als Aufmunterung schlägt Stefan einen Spaziergang durch Celestún vor, meine Stimmung bessert sich aber nicht, denn es gibt kein anständiges Lokal für einen Apéero und die ganze Erinnerung an dieses Kaff sind nach Fischabfällen riechende Abfallkübel. Dafür beginnt es wie aus Kübeln zu giessen, was bei dieser Hitze höchst unangenehm ist.
Freude herrscht dafür in Uxmal. Diese antike Anlage stellt alle bisherigen in den Schatten. Nebst Chichen Itzá gefällt sie uns am Besten. Die opulenten Verzierungen sind bis heute sichtbar. Wasserkanäle und Zisternen, welche bis zu 35‘000l Wasser fassten (Grundwasser war keines vorhanden) stellen eine logistische Meisterleistung für die bis zu 20‘000 Einwohner dar. Abends sitzen wir verzückt im Nonnenviereck, wo eine Licht- und Tonschau das Leben der Mayas widergibt. Nach Anrufung des Wassergottes Chaak spüre ich doch tatsächlich einige Regentropfen.
Nach soviel Kultur ist uns wieder vermehrt nach Natur. Auf dem Weg zu den Blauen Wassern, Agua azul, werden wir einige Male von einem gespannten Seil gestoppt. Indiofrauen versuchen sich etwas vom Touristenkuchen abzuschneiden indem sie für 10 Pesos Bananen verkaufen. Wir zeigen immer wieder den zuerst gekauften Bananenbund und werden ohne weitere Käufe durchgelassen. Dass wir nicht immer das Gleiche kaufen können ist wohl einleuchtend. In Agua Azul kämpfen wir uns durch Souvenir- und Fressstände bevor wir zu den pittoresken Wasserfällen gelangen. Das Wasser rinnt fotogen milchig über die Kalkfelsen. Dies dank ausgelöstem Kalziumkarbonat und Magnesium. Am nächsten Morgen gönnen wir uns ein erfrischendes Bad, ganz allein, vor Ankunft aller Touristenbüssli.
Ebenso malerisch finden wir die Cascadas Golondrinas, die Schwalbenwasserfälle. Da gibt es doch tatsächlich am Abend das verblüffende Spektakel der zurückkehrenden Schwalben. Wo liegen deren Nester? Genau! In den Höhlen hinter dem Wasserfallvorhang. Wir sitzen still da und beobachten diese fulminante Leistung der Vögel. Ab und zu verpasst einer den Eingang zwischen den stürzenden Wassermassen und muss einen neuen Landeanflug einlegen. Das laute Gezwitscher übertönt sogar das Tosen des Wassers, über uns sind noch Hunderte, die ihre Rückkehr in der Dämmerung antreten.
Unsere Route entlang der guatemaltekischen Grenze in der Selva lacandona bietet reichlich Abwechslung. Der Regenwald wird aber auch hier immer lichter. Zu Gunsten von Ackerbau, Viehwirtschaft und vorallem Ölpalmen wird die Selva stark abgeholz. Die Strasse leidet unter den mit Ölnüssen schwerbeladenen Lastwagen. Stefan fährt zickzack um alle Löcher und Strassenabbruchkanten. Heil erreichen wir das kleine Dorf Reforma Agraria. Eine kleine Dorfgemeinschaft hat hier ein vor einigen Jahren zugunsten der Hellroten Aras (Guacamayas rojas) ein Naturschutzprojekt gestartet. Die Selva wird geschützt, den Aras werden ihre Lieblingsnahrungsbäume gepflanzt und die riesigen Vögel sagen danke, indem sie zahlreich im Dorf nisten. Wir spazieren mehr als 2 Stunden im Dorf herum und beobachten diese farbenfrohen kreischenden Papageien. Beim Schlummertrunk hangeln sich Klammeraffen über uns hinweg, sie sind auf der Suche nach Avocados und auf der anderen Uferseite des braunen Rio Lacantún schreien sich die Brüllaffen die Seele aus dem Leib. Alles in allem ein fragiles Gleichgewicht. Sind die Bäume weg, sind die Tiere weg…
Den Klimaschock erleben wir auf unserer nächsten Etappe. Während wir immer noch täglich bei 35 Grad schwitzen, fällt das Thermometer jetzt mit jedem steigenden kurvigen Kilometer, bereits gibt es Kaffeeeplantagen. Auf 1400müM ziehen wir den Faserpelz an. Tziscao lebt von seinem kühlen Klima und seinen Seen, wir fühlen uns wie auf einer Alp. Einheimische Touristen fotografieren den Nebel während wir unser Kabhäuschen geniessen. 20 Grad ist perfekt für einen Risottoschmaus.
Ein kurzer Regenspaziergang führt uns an den Lago Internacional. Die Grenze zwischen México und Guatemala verläuft exakt mittig durch den kleinen Tümpel und wird grossartig mit Bojen markiert.
Auch im Parque Nacional Lagunas de Montebello herrscht trübe Stimmung die vielen Lagunen leuchten nicht in ihren schönen Farben.
Nach soviel Natur zieht es uns wieder in eine Stadt. Voller Elan fahren wir der malerischen Kolonialstadt San Cristóbal de las Casas entgegen. Hasta pronto amigos!