53 – Nicaragua

20. März – 06. April 2017

Route: Cañas Castilla > San Jorge > Isla Ometepe > Rivas > Granada > Masatepe > Vulkan Masaya > León > Playa Las Penitas > Chichigalpa > Chinandega > Potosí > Cosigüina > Matagalpa > Jinotega > Esteli > Somoto

Bürgerkriege, Somoza Regime, Sandinisten, Contras, Handelsembargo, schwerbewaffnete Sicherheits- und Polizeipräsenz – oder doch eher Land zwischen Pazifik und Karibik, Vulkane, Lagunen, Inseln, Kaffee, Zuckerrohr, Rum, Tabak, Cigarren und freundliche Menschen und KEIN Massentourismus?

Was für uns Schweizer die attraktiven 4000er mit schneebedeckten Gipfeln sind für die Nicaraguaner die Vulkane mit ihren Rauchfahnen oder kochenden Lavabecken. Der Nicaraguasee mit seinem Juwel, der Insel Ometepe ist wie ein Meer, das den Bodensee klein aussehen lässt. Der Somoto Cañón erinnert an die Via Mala, das Wasser ist einfach einige Grade angenehmer. Es gibt einiges zu sehen in Nicaragua.

Mit eigenartigen Gefühlen sind wir in dieses Land gereist und es hat uns ganz in seinen Bann gezogen.

Wir wissen, dass Nicaragua ein sehr armes Land ist, das bedeutet in der Regel Schmutz und kaputte Strassen, schlechtes Wifi und der Gringo wird abgezockt wo es nur geht und von Polizeistreifen sicher immer angehalten. Nichts von alldem haben wir erlebt. Die Dörfer sind bis auf einige Ausnahmen sauber und ordentlich, die Strassen durchgehend lochfrei asphaltiert, das Internet funktioniert hervorragend wenn vorhanden und wir werden stets höflich und zuvorkommend behandelt und einer Polizeistreife sind wir nie begegnet oder nur freundlich winkend. Es gibt in diesem „gefährlichen“ Land nicht mehr Sicherheitskräfte vor Banken oder öffentlichen Gebäuden wie sonst auch, also alles in allem alles im grünen Bereich.

Das Land empfängt uns mit rosarot blühenden Bäumen. Kurz vor der Regenzeit scheint alles schönstens zu explodieren. Wir buchen eine Fährpassage zur Insel Ometepe und verbringen die Tage bis zur Abfahrt in der Nähe von San Juan del Sur an menschenleeren Strände. Ometepe, einzige Insel der Welt in einem Süsswassersee mit zwei Vulkanen ist bevölkert von Rucksacktouristen. Wir umrunden die Insel in 3 Tagen, baden im Jungbrunnen „Ojo de Agua“ und werden beim Sonnenuntergang am schönsten Ort, vor dem Vulkan Concepción, für einen Werbefilm interviewt. Die Diktatorenfamilie Somoza bewies guten Geschmack, als sie auf der Insel eine Finca baute. Heute ist dort ein Hostal und eine Vorzeigeschule; und dort feierten wir Stefans Geburtstag mit einem Kuchen aus dem Omnia Ofen.

Zurück auf dem Festland, machen nebst überfüllten Bussen, auch passagierschwangere Rikschas (mir tun jedesmal die dürren Pedaltreter leid) , schwerbeladene Pferde- und Ochsenfuhrwerke, Motorräder (mit ganzen Familien inkl. stillenden Müttern besetzt) und Velos (mit Feuerholz beladen) das Autofahren spannend. Zudem wird am Strassenrand nicht nur Obst (jetzt gerade tonnenweise Melonen), sondern auch Ziegelsteine, ganze Wohnungseinrichtungen und Blumen verkauft. Was mich dann veranlasst „Halt Fotostopp“ zu schreien und Stefan fast zur Weissglut treibt, weil fast keine Haltemöglichkeiten vorhanden sind. Nicas fahren mit dem Bus und die Rikscha oder das Pick-up Taxi sind für den Lieferservice da.

Es gibt einige wirklich touristische Punkte in Nicaragua und immer geht unsere Planung nicht auf. So wollen wir den Sonntag an der Laguna Apoyo verbringen – stellt euch Saint Tropez in der Hochsaison vor – genau, nicht mit uns, vom Bus bis zum BMW X5 ist alles da. Dafür haben wir dann Dienstags ganz allein am Nachmittag in den Krater des aktiven Masaya Vulkans hinuntergeguckt und weil es so schön war, haben wir das Gleiche am Abend grad nochmals gemacht. So oft ist es nicht möglich, direkt mit dem Auto an den Kraterrand zu fahren (dabei ist in Fluchtrichtung zu parkieren) und dem Teufels beim Kochen über die Schulter zu schauen. Würzt er dabei zu fest mit Schwefel, pfeifen die Sicherheitskräfte und man hat je nach Windverhältnissen nach 5-15min das Spektakel zu verlassen. Man tut das gerne, denn es kratzt ziemlich arg im Hals und nicht mal Ricola bringt da Linderung. Vulkane sind in Nicaragua wie Perlen an einer Schnur, etwa alle 25km steht da einer. Die einen rauchen, die andern brodeln, einige haben Kraterseen, nicht umsonst heisst es Ring of Fire. Erdplatten verschieben sich hier bis zu 8cm jährlich, die Auswirkungen Erdbeben und Ausbrüche können gigantisch sein.

Ein besonderer Flecken ist die Nordwestecke Cosigüina. Auf dem Weg dorthin gibt es Zuckerrohrfelder, welche das Ausgangsprodukt des Rums „Flor de Caña“ liefern. Die Führung durch die Distillerie ist ein sinnliches Abenteuer. Es steht nicht der Prozess des Destillierens im Vordergrund sondern das Hämmern in den Küfereien, das Riechen in den Lagerhallen und das Degustieren im edlen Keller. Ja es hat geschmeckt und unser abendlicher Kaffee, selbstverständlich aus einer kleinen biologischen Kaffeefinca wird geschmacklich mit 18-jährigem, samtigem Rum abgerundet. Auf dem nordwestlichsten Zipfel, am Golfo de Fonseca, ist die Armut am grössten, aber die Menschen haben einen kleinen Funken Hoffnung mit dem Projekt zum Schutz der grossen roten Aras Vogelbeobachter und Ökotouristen anzulocken. Wir lassen uns darauf ein und mit einem privaten Führer stapfen wir durch den Trockenwald auf der deren Suche. Wir sehen bloss 2 davon, doch viele andere sind zu beobachten. Allein das Wissen, etwas Neues zu unterstützen, mit vielen Infos über diese Region bereichtert, dazu eine wunderbare Übernachtung am Strand (mit vielen stechfreudigen Wespen), wo wir immer wieder in Kontakt mit liebenswürdigen Menschen kommen, ergeben eine weitere unvergessliche Reiseepisode.

Nach einigen Tagen ohne Dusche, die Trockenheit ist so extrem, dass auch wir mit unserem Wasser haushälterisch umgehen, verbringen wir zwei Tage auf einer Kaffeefinca und geniessen seit Ewigkeiten die erste heisse Dusche. Auch in Nicaragua kann es kühl werden, wir befinden uns auf 1200müM. Chicharras (Grillen/Zikaden) vollführen einen ohrenbetäubenden Krach in dieser sonst so stillen Umgebung und Kolibris brummen um uns herum. Gegen die honduranische Grenze hin in Somota dann wieder ausgedörrtes Land. Wasser ist auch hier knapp und läuft nur alle 2 Tage in die Wassertanks. Das Ökosystem leidet gewaltig unter der grossen Abholzung, 85% aller Haushalte kochen mit Holz weil Gas zu teuer und Strom nur für Licht vorhanden ist. Aber unser Gastvater auf dem „Camping“ hat 2 Manzanas (ca. 2 Hektar für ca. 60 US$) Land gekauft auf dem ein Aufforstungsprojekt für 4000 Bäume läuft. Mit Tochter Claudia entdecken wir den Somota Cañón und können so der Tageshitze entfliehen. Der Weg verläuft durch die enge Schlucht und meist legt man ihn schwimmend im Fluss zurück, danach folgt ein stündiger Aufstieg zurück ins Dorf und wir sind wieder verschwitzt. Die Kinder aus den Höfen am Fluss werden deshalb mit dem Pferd in die Schule gebracht.

Wir haben uns ein bischen in Nicaragua verliebt, hat es doch unsere Erwartungen bei weitem übertroffen und der Werbeslogan „Nicaragua – única…original!“ trifft es gut.