48 – Ecuador – Amazonía

02. November – 06. November 2016

PN Cuyabeno, Tapir Lodge

Mückenstiche – Hitze – Feuchte – Wanderungen über den Äquator – Regengüsse und Kanutouren. Wer mehr von unserem Amazonasabenteuer wissen möchte, kann sich unsere Fotos ansehen und erfährt im Text noch etwas mehr dazu.

Amazonía – Landschaft der Superlative. Über 10% aller Spezien auf Erden sind hier zu finden, schätzungsweise 7 Millionen Menschen leben hier, etwa 100 verschiedene Ethnien sind in einen Gebiet heimisch welches von Flüssen, Wäldern, Auen durchzogen ist. Wo Erdölfirmen und Holzfäller negativ auf sich aufmerksam machen sowie legale und illegale Goldwäscher am Werk sind und jede zweite Sekunde ein Baum fällt, ein Gebiet von dem in 150 Jahren nichts mehr sein wird wie es heute ist, wenn so weitergewirtschaftet wird – genau dieses Amazonía, das uns schon in Brasilien, Guyana, Suriname und Französisch Guyana in seinen Bann zog, genau hierhin wollen wir nochmals.

In Ecuador ist der Zugang zum Amazonasgebiet relativ einfach, einfacher als in Peru oder Bolivien.

Einer Ölpipeline wegen führt eine asphaltierte Strasse direkt in die grüne Hölle hinein. Von dieser Hölle ist allerdings bis Lago Agrio nicht viel zu spüren.

Vom erstaunlich sauberen Städtchen Lago Agrio führt ein 2-stündiger Bus- und ein anschliessend gleich langer Bootstransfer zu unserer Lodge. Diese gehört einem Deutschen, dessen Vater nach Ecuador auswanderte, Grund und Boden sind allerdings im Besitz einer indigenen Familie aus der Gruppe der Siona, die hier im Cuyabeno Gebiet ansässig sind. Das ist Teil einer ökologischen Form des Tourismus, was nicht heisst, dass man nur Solarstrom und Abfalltrennung betreibt, sondern das ganze Gebiet und die dazugehörigen Ethnien einbezieht. So kauft unser Guide auf dem Weg Früchte und Gemüse ein, um die relativ arme Bevölkerung in den Tourismus miteinzubeziehen. Wenn Touristen also einen Besuch in einem traditionellen Dorf machen und die traditionelle Jagd mit dem Blasrohr, die Herstellung von Yucca-Brot oder die Vorführung eines Rituals mit einem Schamanen erklärt bekommen, ist das ein Dorf, das mit einem Bein in der westlichen Zivilisation lebt und mit dem anderen Bein seiner eigenen Tradition verpflichtet ist, aber keineswegs Baströcklein trägt. Jeans und T-Shirt haben auch hier Einzug gehalten. Wir bekommen als Touristen einen Einblick in die Traditionen und gleichzeitig werden Ethnien geschützt, die sich nicht für den Tourismus öffnen wollen und in ihrem Stammesgebiet traditionell weiterleben möchten.

Amazonas, die grüne Hölle, von Bäumen hängende Boas, Flüsse bevölkert von Riesenanakondas, Piranias und Kaimanen, blutrünstige Moskitos, die uns Malaria anhängen wollen, nachts ein Gekrabbel im Bett, feucht-heisses Klima, nirgends ein Durchkommen. Kann wohl stimmen, wir haben es ganz anders erlebt. Wir gehen mit zerstochenen Beinen in den Amazonas und kommen ohne einen einzigen neuen Stich zurück. Wie viele Flüsse in Amazonía ist auch der Rio Cuyabeno ein Schwarzwasserfluss, das heisst, sein Wasser ist sauer, Moskitolarven sterben ab, ausserdem geben Bäume weiteres Tanin ab welches eine Ausbreitung von Malaria praktisch verhindert. Einzig der Aufenthalt in trockenen Gebieten kann problematisch werden, hier schützen wir uns mit einem normalen im Supermercado erhältlichen Moskitomittel. Allerdings auch gut geschützt mit langen Hosen, Gummistiefeln und einem Regenponcho, denn am dritten Tag unseres Trips, als wir wie der Abenteurer Mike Horn mit dem Kanu auf dem Cuyabeno Fluss paddeln und eine Nachtwanderung durch den Dschungel unternehmen, giesst es aus vollem Rohr. Es ist nicht nur ein bisschen Regen das da runterfällt, nein der ganze Himmel scheint sich zu öffnen und prasselt auf uns nieder. Die Stiefel stecken im Matsch fest, gut hab ich kein Übergewicht, wie die Amerikanerinnen in unserer Gruppe, mich trägt der Morast während er bei den anderen ob hinein- und unten eben nicht wieder hinausläuft. Hier ein Fröschlein, da eine Spinne in ihrem schönen Netz. Und jetzt überqueren wir den Äquator, mitten im Dschungel steht ein Monument – also doch nicht so richtig Dschungel. Ohne Taschenlampe fühlen wir uns wie Jonas im Bauch des Wals – die Geräuschepalette ist gewaltig. Regengeprassel, Froschgequake, Zirpen und Surren der Grillen, Vogelgekreische – ein richtiger Lärm. Jeder lauter als der andere. Bei einer Riesenpfütze müssen wir umkehren, das Wasser würde uns bis zur Brust reichen, da hat niemand mehr Lust durchzuwaten, wir sind eben doch keine Mike Horns.

Unglaublich schön sind die Lagunen mit den versunkenen Bäumen, als wir am ersten Abend zum Abendrot hintuckern stehen sie majestätisch im Wasser, eine kleine weisse Schlange – eine Baum Boa – schaut auf uns herunter, nach zwei Regentagen gucken nur noch die Kronen aus dem Wasser. Unglaublich dieser Wasserstand, zwei Regentage reichen, um ihn um 1-1.5m ansteigen zu lassen, regnet es weniger bis gar nicht, trocknet die riesige Lagune sogar völlig aus.

Ein Ausflug führt uns mit unserem Paddelboot in die Laguna Canangueno, Motorboote sind hier nicht erlaubt. Ein Reiher gleitet über uns hinweg, zwei blaugelbe Aras flattern kreischend davon, in den Bäumen turnen Totenkopfäffchen mit Riesensprüngen von Ast zu Ast, ein Specht hämmert an einem toten Baum herum, Tukane hüpfen von Ast zu Ast und immer wieder schweben kleine und grosse Schmetterlinge in schillernden Farben über den Fluss. Bäume voller Bromelien und Philodendren, Moose, Bärte, Lianen und hätte unser Führer keine Machete mit dabei, könnten wir unseren anschliessenden Spaziergang durch den Wald nicht machen. Schnell knüpft er einige Lianen zusammen, markiert hier und da einen Baum, wir wollen ja den Rückweg wieder finden. Hier gibt es nämlich keinen Weg. An einem Baum bauen winzige Ameisen ein Riesennest, hält man die Hand in die Ameisen hinein und verreibt die, welche einem sofort über die Hand krabbeln, gibt es einen Duft, der als natürliches Antimoskitomittel funktioniert, bei anderen Ameisenarten müssen wir die Larven zerdrücken um den gleichen Effekt zu haben. Da ein Chinarindenbaum, ebenfalls ein Antimalariamittel wenn man aus der Rinde einen Tee kocht. Die Früchte einer bestimmten Palme kann man ausgekocht als Shampoo verwenden, die grossen zapfenartigen Nüsse der Moretto Palme ist des Tapirs Lieblingsfrucht. Die Rinde eines anderen Baumes ist gegen Menstruationsschmerzen, der ganze Wald eine einzige Apotheke. Wir erfahren, aus welchen Fasern Hängematten geknüpft werden oder Reusen um Fische zu fangen, der Wald ein Bau- und HobbyCenter.

Es sind nicht die grossen Tiere, die die Faszination Amazonías ausmachen, es ist das Zusammenspiel von klein und gross, es ist die stufenartige Vegetation, lichthungrige Bäume mit riesigen Brettwurzeln, Farne und Bromelien als alles überwuchernde Aufsitzerpflanzen und Heim für kleinste Frösche und Eidechsen. Moose und Pilze in der unteren dunklen Etage, Orchideen direkt am Flussufer. Während wir am Staunen sind läuft unser Kanu auf einen umgestürzten Baumstamm auf, aussteigen, Gewicht verlagern, wir meistern die Situation, jemand fällt ins Wasser, nein die Anakonda hat Veronika nicht gefressen, auch keine Piranias haben sie zerfleischt, einzig den Rücken hat sie sich am Kanu aufgeschürft. Müde schlafen wir am Abend ein. Morgens um fünf Uhr in der Dämmerung wirkt der natürliche Wecker des Dschungels – Vogelgekreische, Grillengezirpe und Insektengesurr. Schnell verfliegen die Tage in der Lodge. Der Koch präsentiert uns als Abschiedsgeschenk einen schwarzen Skorpion, gut haben wir Stiefel und Kleider vor dem Anziehen immer gut ausgeschüttelt und die Hängematte auf allfällige Mitbewohner kontrolliert. Wäre ja schade gewesen, wenn sich Stefan auf den kleinen Frosch gesetzt hätte. Die fünf Tage sind zu schnell vorbei, ein letztes Abenteuer wartet auf uns, wegen der heftigen Regenfälle liegen zwei umgestürzte Bäume quer über den Fluss. Die Amerikanerinnen wollen schnellstmöglich zurück in die Zivilisation, uns wäre es egal wenn wir umkehren müssten , denn die Frage ist: waren wir in unserer Lodge (ausgestattet mit Dusche, WC, Strom und verwöhnt mit feinstem Essen) wirklich abseits der Zivilisation nur weil wir einige Male durch den Matsch gewatet sind und am Ende alles etwas feucht und dreckig ist. Wir meinen, da bräuchte es doch noch etwas mehr, etwas mehr Abenteuer à la Mike Horn.

Der Bootsführer findet schliesslich einen Weg durch die im Wasser liegenden Baumkronen und der Guide steht mit einer Machete vorne im Kanu. So erreichen die Amerikanerinnen ihren Flug noch rechtzeitig und auch für uns endet der kurze Ausflug im Cuyabeno Reservat.