42 – Uruguay – Argentinien – Paraguay

14. Mai – 10. Juni 2016

Route: Chui (Uruguay) > Termas do Arapey > Salto > Estado del Iberá (Argentinien) > Corpus > Bella Vista (Paraguay) > Altos > Asunción > Loma Plata > Rosaleda > Filadelfia

Erholung in den Thermen, von Jesuiten, Mennoniten, Auswanderern und Einwanderern, neuen Batterien und Autoreifen, von Tieren und Menschen…

Uruguay empfängt uns mit Wohlbekanntem, aber in den geistigen Hintergrund gerücktem: Geruch nach überfahrenem Stinktier auf der Landstrasse, lange Eukalyptusalleen, grasendem Vieh und schönen stolzen Gauchos. Es ist kühl, wir freuen uns auf eine Auszeit in den warmen Quellen von Arapey, wo wir einige schöne Tage verbringen, sogar die Sonne zeigt sich zwischendurch, so dass wir im Freien Kaffee trinken können. Wir füllen unsere Gas Tanks auf, mit unseren uruguayischen Gasflaschen ist das für einmal kein Spiessrutenlaufen nach Adaptern sondern geht ganz flott; wir leisten uns noch eine grosse 3kg Flasche zu unseren beiden 1,5 kg Flaschen, denn wenn die Tage kälter werden, kochen wir wieder vermehrt warme Gerichte. Nach einer Woche verlassen wir das friedliche Land und reisen problemlos in Argentinien ein. In Concordia stürmen wir den Carrefour Supermarkt und decken uns mit allem ein, was wir in Bolivien sicher nicht mehr kaufen können, vor allem mit gutem Wein, feinem Käse und delikatem Rohschinken. Unglaublich wie viel Stauraum unser kleines Auto hat.

Auch in Argentinien werden Erinnerungen wach, rote Schreine und wehende Fahnen am Strassenrand, Heimat von Gauchito Gil. Ausserhalb von Mercedes ist sein Hinrichtungsort und dem Beschützer aller Autofahrer wird hier gehuldigt wie einem Heiligen. Der Souvenirhandel blüht und zwei Stunden später sind auch wir stolze Besitzer eines kleinen Gummi Gil’s, dem Stefan sofort einen Ehrenplatz auf dem Armaturenbrett einräumt.

Auf unserer Weiterfahrt geht die schöne Asphaltstrasse in eine gröbere Sandpiste über und führt uns in den „Parque National Estado del Iberá“. Ein Storch mit einer zappelnden Schlange im Schnabel fliegt über uns hinweg, Caimane liegen träge neben dem Steg beim Visitor Center, Eisvögel tauchen nach Fischen und Carpinchos trippeln über die Strasse auf dem Weg zum Campingplatz. Am nächsten Tag um 10h startet unser Boot hinaus ins Feuchtgebiet mit Lagunen und schwimmenden Inseln, Höhepunkt ist eine gelbe Anakonda, die seit einer Woche am immer gleichen Ort liegt und ihren Verdauungsschlaf geniesst. Beim Nachmittagsspaziergang gibt’s für uns eine Peepshow bei den Carpinchos, die sich bei der schönsten Sache nicht durch uns stören lassen. Ein Gürteltier verzieht sich blitzgeschwind ins Dickicht und der Corzuelo (Rehbock) stellt sich für uns in bestes fotografisches Licht. Das Zwiegespräch, das Stefan mit dem Brüllaffenmännchen führt, hätten wir aufnehmen müssen, das war eine grosse Gaudi für alle Beteiligten.

Ein völlig anderes, wirklich mystisches Erlebnis ist der Besuch der Jesuitenreduktionen in Missiones. Es stehen zwar nur noch Ruinen der bis zu 7000 Menschen zählenden Städte, doch davon geht eine ungeheure Kraft aus. Kunstvolle Steinmetzarbeiten der Guaraní-Indios die unter Anleitung der Jesuiten gearbeitet wurden, versetzen uns ins Staunen. Als die Jesuiten 1764 vertrieben wurden, verliessen die Guaranís die als Protektion gegen Sklavenhändler eingerichteten Dörfer wieder in Richtung Selva-Urwald und die Natur überwucherte alles.

Wieder einmal erreichen wir ein neues Land auf dem Wasserweg. Die Einreise in Paraguay ist ein Kinderspiel; mit einer krakeligen Schrift füllt der Zollbeamte die nötigen Papiere aus und heisst uns Willkommen. Auf dem Campingplatz in Hohenau werden wir von Ruben in deutscher Sprache begrüsst, eine Familie aus Luxemburg und eine Schweizer Familie stehen mit ihren Wohnmobilen auch schon da. Das gibt ein grosses Hallo und lange Abende. Auf der paraguayischen Bank werden wir beim Bezug von Bargeld zu Millionären gemacht, nicht so heftig wie in Venezuela, aber auch gewöhnungsbedürftig. Die Paraguayer sind wie die Uruguayer dem Mate Getränk verfallen und wir sehen kaum einen ohne Teebecher, Bombilla und Thermoskanne. Bella Vista ist das Hauptanbaugebiet des Matestrauches, dessen Blätter getrocknet, fermentiert und zu Mate Tee verarbeitet werden. Der Besuch einer „Matefabrik“ drängt sich also auf und wird mit einer Mate Zeremonie abgeschlossen. Mate wird nicht zu unserem Lieblingsgetränk, aber interessant war es allemal. Auch Ostparaguay ist bekannt für seine Jesuitenreduktionen, ganz interessant ist jene von „San Cosme y Damián“ mit ihrem Planetarium und ihrer immer noch in Gebrauch stehenden Kirche, wo wir einen Sonntagsgottesdienst besuchen. Das Wetter ist allerdings grau in grau und die Anlage wirkt dementsprechend farblos.

Da in Paraguay die Einfuhrsteuern weniger hoch sind als in den meisten südamerikanischen Ländern und in Asunción gute Autoteile zu finden sind, steuern wir Altos an, wo wir uns in Renés und Marions Nudelparadies für eine Woche einparkieren und uns in aller Ruhe in der Hauptstadt nach neuen Reifen und Batterien umsehen können. Beides wird hier fachgerecht montiert, 6 Reifen zum Preis von 5 und 2 leistungsstarke Banner Batterien, die vom Solarpanel gespeist werden und uns Strom für Licht, Kühlschrank und Heizung liefern. Seit Monaten sind diese kaputt und wir abends ohne Strom. Ein gutes Gefühl bei der Rückfahrt von Asunción nach Altos, als die starke Unwucht bei 80km/h plötzlich weg ist. Die neuen Reifen, All Terrain statt Mud Terrain sehen zwar nicht mehr so expeditionsmässig aus, liefern aber einen tollen, viel leiseren Fahrkomfort. René und Marion verwöhnen uns nach Strich und Faden und als noch Sigo und Hilu mit ihrem Pummel eintreffen, gibt’s viel zu tratschen. Gemeinsam besuchen wir den Samstagsmarkt in Altos, trinken Glühwein und kaufen Würste und Vollkornbrot und sitzen lange an der tollen Feuerstelle. Was für ein Leben!

Asunción selbst fanden wir nicht so prickelnd, schäbige Bretterbuden wo wegen Hochwasser umgesiedelte Menschen leben, stehen direkt bei den Regierungspalästen und sehen eher nach Providurium denn Provisorium aus. Eine chaotische und abgewohnt wirkende Stadt. Wir sind eingeladen bei Alexandre, den wir vor Wochen in Südbrasilien kennengelernt haben. Als brasilianischer Militärattaché arbeitet er für die brasilianische Botschaft in Asunción und wohnt sehr edel. Seine Frau verwöhnt uns mit Kaffee und Kuchen und wir verbringen mit ihnen und ihren beiden Töchtern einen sehr schönen und diskussionsreichen Nachmittag.

Bei Paraguay denkt ihr sicherlich an die Nazischergen, die hier während der Militärdiktatur Unterschlupf gefunden haben. Der Naziarzt Mengele baute in Hohenau ein Kinderspital auf, das aber nie rechtfertigt, was er in Europa verbrochen hat. Ein trauriges Kapitel. Es gibt aber auch ein anderes Kapitel, das von ganz normalen Auswanderern geschrieben wird. Es sind Auswanderer, v.a. aus Deutschland und der Schweiz, die sich in Ostparaguay und Mennoniten, die sich im Chaco niedergelassen haben. In den 20iger Jahren trafen die ersten Wiedertäufer via Preussen, Russland, China, Frankreich und Kanada in Paraguay ein. Mennoniten, ihr Ursprung war die Schweiz, verweigern Kindertaufe, Wehrdienst und den Schwureid und waren nirgends gerne oder lange gerne gesehen. Ein arbeitsames Volk, welches eben in Westparaguay, im Chaco unter widrigsten Umständen Paraguays Landwirtschaft aufgebaut hat wo vorher nichts war ausser Einöde. Man hört Plattdeutsch, die Ortsnamen tragen die Namen der verlassenen Heimatorte. In den Heimatmuseen von Loma Plata und Filadelfia wird die tragische Geschichte „Bis hierher hat uns der Herr geholfen“ aufgearbeitet. (siehe Wikipedia).

Wir besuchen die beiden Schweizer Ricardo und Susanne, die uns viel vom Leben in dieser trockenen Savanne erzählen, und besuchen mit ihnen einen Spital und eine Schule für Indios, die von Mennoniten aufgebaut und grösstenteils finanziert werden.

Die staubige Transchaco Piste führt uns nach Rosaleda, wo sich 1992 Schweizer im tiefsten Chaco niedergelassen haben. Seit 3 Monaten gibt es Strom, vorher gab’s den nur per Generator. Wir lassen uns von Ernst, der einen wunderschönen Garten mitten in der Wildnis angepflanzt hat seine Lebensgeschichte und die Geschichte von Rosaleda erzählen. 400mm Regen pro Jahr, eine der wasserärmsten Regionen der Welt, bis zu 45 Grad im Sommer, eiskalte Winternächte, Sandstürme und Einsamkeit, ein Dickicht aus Dornengebüsch, hier muss man mit sich im Reinen sein, sonst wird das Überleben zur Qual.

Und trotz allem ist Paraguay auch heute noch ein klassisches Auswandererland für Deutschsprachige, die Freiheit scheint fast grenzenlos zu sein.

Der pudrig feine Staub der Piste sitzt einmal mehr in allen Ritzen und wir sind froh, dass die Transchaco ab La Patria zur bolivianischen Grenze hin asphaltiert ist. In flottem Tempo geht es weiter, begleitet von den typischen Flaschenbäumen. Wir denken zurück an jene, die uns so freundlich aufgenommen haben, herzlichen DANK!