23. März – 02. April 2016
Route: Palmas > Mateiros > Dianópolis > Luís Eduardo Magalhães > Sao Domingos > São João > Nova Roma > Alto Paraiso de Goias
Wir verbringen viel Zeit in Nationalparks, schlafen auf Grund und Boden des Drogenbarons Pablo Escobar und feiern Ostern in einem ausgetrockneten Bachbett. In kurzer Zeit war viel los und während Stefan die Weiterreise plant, lasse ich die vergangenen Tage Revue passieren und versuche eure Aufmerksamkeit zu erheischen.
Allen die sich fürs Wetter interessieren ist zu sagen, dass die Sonne täglich am blauen Himmel steht, auf dem fast immer Schäfchenwolken spazieren. Tagsüber heiss, nachts nehmen wir schon mal die Decke hervor, denn es herrscht ausgeprägtes Kontinentalklima.
In Palmas füllen wir nach erfolgreichem Abschluss der Aufenthaltsbewilligung unseren Kühlschrank auf und fahren aus der Stadt heraus. Wir zuckeln durch eine einsame Gegend, keine Dörfer einfach nichts und finden einen wunderschönen Übernachtungsplatz hinter verwitterten Felsen. Zwei türkisfarbene Grosspapageien begrüssen uns mit lautem Gekrächze. Ich koche zur Abwechslung wieder einmal Thailändisch und backe anschliessend Stefans Geburtstagskuchen. Ihm setzt sich eine Tarantel auf den Fuss und wir wuseln jetzt etwas vorsichtiger auf unserem Plätzchen herum. Tocantins ist ein junger Staat, dessen heutiges Gebiet aus unerfindlichen Gründen 1988 vom Staate Goias abgetrennt wurde. Bei der Staatsgründung wird ein bisschen besser hingeschaut und ein Anwesen des kolumbianischen Drogenbarons Pablo Escobar kommt zum Vorschein. Escobar wird enteignet und das Anwesen geht in den Besitz des Staates Tocantins über. Heute ist es das Eingangstor zu einem Wasserfall mit gigantischen Wassermassen und einem kleinen Sandstrand am Fluss. Landschaftlich könnt ihr euch ein afrikanisches Savannengebiet vorstellen, selbstverständlich ohne Elefanten und Giraffen. Dieses weitläufige Grasland mitten im Amazonasbecken ist extrem abgelegen, dazu unfruchtbar und lange praktisch unzugänglich. Dazwischen folgt eine Dünenlandschaft, die zwar nicht so spektakulär ist, wie das was wir bisher an Dünen gesehen haben aber wir finden einen spektakulär schönen Übernachtungsplatz in einem ausgetrockneten Flussbett. Gerade richtig um hier die Ostereier zu tütschen. Wir halten an unseren Traditionen fest, sie unterbrechen den Reisealltag, reisen wir doch kalenderlos und praktisch ohne Termindruck. Nach dem Morgenritual fahren wir weiter, wenn wir Hunger haben halten wir an, wenn es was zu entdecken gibt, bleiben wir eine oder mehrere Nächte in der Gegend. So einfach ist unser Leben. Der Jalapão bietet neben Savanne und alten Tafelbergen einige angenehme Nebensächlichkeiten, die für uns bald zur Hauptsache werden: „Fervedouros“. Der Reiseführer beschreibt dieses Phänomen als blubbernde Thermalquelle, was aber so nicht stimmt. Thermal wäre ja warm, aber die Blubberquelle ist kalt, sehr kalt und eigentlich eine Topfquelle, die durch den Sandboden nach oben blubbert. Es gibt einige Fervedouros in der Gegend und sie werden gut gepflegt von Nachfahren ehemaliger entlaufener afrikanischer Sklaven, die sich in diesem afrikaähnlichen Gebiet äusserst heimisch fühlten. Wir bezahlen gerne die kleinen Eintrittsgebühren und finden überall fast kreisrunde türkisfarbene kristallklare mehr oder weniger sprudelnde Wasserbecken vor, umwachsen von Bananenstauden, Heliconias und anderen tropischen Pflanzen. Kolibris surren durch die Luft, Schmetterlinge jagen sich und die kleinen grünen Papageien vollführen ein Geschrei. Wir fühlen uns paradiesisch.
Da winkt uns doch tatsächlich jemand, es sind Overlander. Also schnell hin, denn ein kleiner Schwatz unter Gleichgesinnten tut immer gut. Die Overlander kommen aber nicht aus USA oder Europa, für einmal sind es Brasilianer, die ihr eigenes Land mit einem Pickup mit Kabinenaufsatz bereisen. Sie erzählen uns von ihrem Abenteuer bis hinauf nach Alaska und zurück. Diese Reise liegt noch vor uns. Bald verschiffen die Beiden ihr Gefährt nach Asien. Wir wünschen Amandio und Joselle dazu viel Glück. Gemeinsam fahren wir zu einem kleinen Wasserfall und kehren zum Übernachten wieder an das schöne Fervedouro zurück. Natürlich gibt es einen langen Abend mit Infoaustausch und Insidertipps. Am nächsten Tag besuchen wir miteinander eine Kunsthandwerkerkooperative, welche Korbwaren aus Savannengras verkauft. Erstaunlich was flinke Hände aus dem trockenen goldgelben Gras herstellen.
Zum Abschied wollen wir noch eine Glacé aus örtlichen Früchten degustieren, aber die Eisbar ist leider geschlossen. So geht es uns immer wieder, wir möchten gerne irgendwo einkehren, aber entweder ist nur zum Mittag- oder zum Nachtessen geöffnet. Finden wir mal mit viel Glück ein hübsches Café in einem Touristenort, wird sicher nur Frühstück serviert, die Kaffeemaschine gereinigt, es gibt ein Wasserproblem oder man öffnet nicht vor 18 Uhr. Aber wer will schon um 18 Uhr Kaffee und Kuchen! Nein, dann geht man auf ein Bier oder einen Caipirinha, wenigstens in touristisch attraktiven Orten, nicht auf dem Land. Da gibt’s nichts dergleichen. Man bleibt daheim und hängt in der Hängematte ab, denn Geld für den Ausgang ist nicht vorhanden und Arbeit schon gar nicht.
Also dann weiter auf der Rumpelpiste mit Löchern und rotem Staub, hunderte von Kilometern haben wir schon so zurückgelegt. Aber Asphalt ist oft auch nicht besser, Stefan fährt zick-zack Kurs um die riesigen Löcher herum, vor jedem Dorf heisst’s aufgepasst: Schwelle, da gibt es ganz heftige mit Löchern davor und danach, hinten rumpelt das Geschirr und die Eier hüpfen im Kühlschrank, neben den Schwellen steht schon grad die Autowerkstätte, oder ist es umgekehrt? Meist steht da noch eine Bar, wo heiss diskutiert wird, welcher Lenker die üble Verkehrsbehinderung am elegantesten überwunden hat.
Auf unserer Strecke folgen nach der Savanne wieder einmal die riesigen Felder der wenigen Fazendas. Keine Frage, wir sind wieder eine kurze Weile im extrem fruchtbaren Staat Bahia. Mehr als 300km kein Dorf, keine Stadt nur ab und zu Fazendas mit den phantasievollen Namen wie Bonanza, High Chaparal, California, South Fork, Espirito Santo zum hundertsten und Santa Clara zum zweihundertsten Mal. Die Mähdrescher kämpfen GPS gesteuert gegen Bohnen, die Lastwagen stehen für deren Abtransport am Feldrand bereit, die riesigen Traktoren bearbeiten das Land gleich weiter, es riecht nach Unkrautvertilger und die Welt wird ernährt. Dass Luís Eduardo Magalhães das landwirtschaftliche Zentrum ist sieht man vor allem an den Vertretungen landwirtschaftlicher Fahrzeuge. Ein Traum für kleine und grosse Traktorenfans. Ein Restaurant mit funktionierendem Wifi zu finden ist kein Kinderspiel und am Ende landen wir in einer Burgerbude und verspeisen bei gut funktionierendem Internet einen Burger „LandRover“.
Die Weiterfahrt Richtung São Domingos erinnert landschaftlich an das vorher beschriebene – Felder und dann Szenewechsel an der Grenze zu Goias – NICHTS ausser etwas Weidewirtschaft und grossartiger Natur und Staubpisten, wir fahren eine Alternativroute nach Brasilia, die ihren Namen redlich verdient.
Der „Parque Estadual Terra Ronca“ lockt mit riesigen Höhlen, wo Bäche für einmal in die Höhlen hinein fliessen, meist ist es ja umgekehrt. Die Holperfahrt geht weiter via Nova Roma, teils fahren wir auf schierem Fels oder Pisten mit kindskopfgrossen Bollensteinen, Brücken gibt es keine, doch da die Regenzeit vorbei ist, sind diese Bachüberquerungen nicht wirklich abenteuerlich. Erst nach 70 km für die wir etwa 4 Stunden benötigen, kommen wir zur Asphaltstrasse bei Teresina da Goias. Es ist merklich kühler, wir befinden uns in einem Hochmoor auf 1500müM. Wir freuen uns auf den schönen Campingplatz Pacha Mama ausserhalb des Kleinstädtchens Alto Paraíso de Goias. Hier quartieren wir uns für die nächsten 3 Tage gemütlich ein und besuchen den „Parque Nacional da Chapada dos Veadeiros“, der zum UNESCO Naturerbe gehört, die meisten Attraktionen, vorwiegend Wasserfälle, liegen allerdings ausserhalb. Die einfachen Wanderwege zu Wasserfällen und Canyons sind eindrücklich und die Badepools erfrischend. Im „Vale da Lua“ fühlen wir uns weniger in einem Mondtal sondern vielmehr im Verzasca- oder Maggiatal im Tessin und am spektakulärsten sind wohl die Wasserfälle des „Reserva da Piedra“, wo sich etwa 6 Wasserfälle auf einer Länge von 1800 m in die Tiefe stürzen und wiederum erfrischende Badebecken füllen.
Abends sitzen wir fröstelnd unter dem Sternenmeer, Orion, Sirius, Stier und Kreuz des Südens schauen auf uns herab und es ist uns sogar gegönnt, einen Satelliten auszumachen. Ob es „Lisa Pathfinder“ ist, deren Start wir in Französisch Guyana miterleben konnten?