36 – Chapadada Diamantina

13. März – 22. März 2016

Route: Lençois > Mucugé > Capão > Palmeiras > Ibotirama > Barreiras > Palmas

Wir haben Rio noch fast eine Woche weiter genossen, haben uns der modernen Architektur gewidmet, unsere Gasteltern Fiona und Robin zum Essen ausgeführt und bei Alison Caipirinha gemixt und dabei fantastische Sonnenuntergänge und Gewitterregen auf der Terrasse ihres Penthouses erlebt. Der Flieger brachte uns an einem Sonntagmorgen nach Brasilia zurück und dort sind wir in den Express Bus nach Lençois gestiegen, wo unsere Randulina auf dem Campingplatz brav auf uns wartete. Ihr deutsches Gspänli haben wir in Rio getroffen, ach wie ist die Welt so klein.

Jetzt zieht es uns vorwärts, so schön es ist in Hotelbetten mit makelloser Bettwäsche und funktionierenden Duschen zu residieren, so schön ist das eigene kleine Daheim wieder.

Der Nationalpark Chapada Diamantina ist riesig, mit Sarah machten wir eine Wanderung zu den Aguas Claras und auf den Morro do Pai Ignácio mit wunderbarer Aussicht, aber die Chapada bietet noch mehr. Im esoterisch angehauchten Valle do Capão unternehmen wir eine Tageswanderung Richtung Valle Pati. Die Tafelberge erinnern im Morgengewölk eher an die schottischen Highlands, doch sobald sich die Wolkenschleier lüften, wird es heiss und wir wissen genau wo wir uns befinden. Bei fast 40 Grad wandern wir die nächsten 4 Stunden über die Hochebene und freuen uns auf ein kühles Panaché unten im Tal. Abends im Restaurant erhöhen wir den Altersdurchschnitt um fast die Hälfte. Uns fehlt nebst langem Bart und Rastas auch der Schlabberlook. Also machen wir uns auf zu den Höhlen, von denen es in der Chapada Diamantina einige gibt, genauso wie Wasserfälle. Die Höhlensysteme sind einzigartig. Riesige Hallen versetzen uns ins Staunen. Trotzdem müssen wir ab und zu über Felsblöcke kraxeln und auf allen vieren kriechen, um in die nächste Halle zu gelangen. Spektakulär sind die Stalaktiten, die sich hier über Tausende von Jahren gebildet haben, nicht hallenfüllend, sondern klein und zart und fast zu übersehen. Entgegen der Schwerkraft wachsen filigrane Gipsblumen wunderkerzengleich aus den Höhlendecken, aus dem Boden spriessen spitzige Quarznadeln, 60m lange Tropfsteinvorhänge oder zweifarbige Stalagmiten sorgen für Ah und Oh. Und dass wir vor dem Höhleneingang mit unserem Auto campen dürfen ist das Pünktchen auf dem i.

Nebst den trockenen Höhlen sind da noch die Grutas, die Poços, das sind jene Höhlen, die mit kristallklarem Wasser gefüllt sind. Das Poço Encantado ist 60m tief, das Wasser ist fast blauer als der Himmel, wir sitzen ehrführchtig da und staunen, oder das Poço Azul, wo man mit einer Schwimmweste ausgerüstet wird und sich im Höhlenbad treiben lassen kann. Das Wasser ist so klar, die Augen müssen sich zuerst daran gewöhnen; ist es Spiegelung oder Höhlengrund?

Und nebst all dem, gibt es in der Chapada Diamantina auch noch das Feuchtgebiet Marimbus, das zwar nicht so tierreich ist, aber an den Pantanal erinnert. Hier gönnen wir uns am frühen Morgen eine Paddeltour mit Schwimmstopp, Wasser ist immer gut, denn die Strassen sind staubig und die Hitze gross. Sogar die Landschildkröte flüchtet sich unter die Kanus. Nur den Libellen scheint die Wärme nichts auszumachen, sie surren nervös um Wasserhyazinthen und Lotusblumen.

Ein Blick in unseren Pass zeigt, dass wir uns nun langsam auf den Weg in die Hauptstadt eines Estados machen müssen, denn unsere Aufenthaltsbewilligung läuft aus. So fahren wir also weiter in den Staat Tocantins nach Palmas. Der Weg dahin führt durch riesige Ackerflächen Bahias. Bis an den Horizont Bohnen, Soja und Baumwolle. Und kaum erreichen wir Tocantins findet ein abrupter Szenewechsel statt. Die Felder weichen Tafelbergen und Weideland. Palmas ist eine junge Stadt, 1988 nach dem Vorbild Brasilias auf dem Reissbrett entstanden und extrem weitläufig.

Bald finden wir uns im Gebäude der Polícia Federal im Büro der Immigration ein. Die sympathische Dame meint, die Verlängerung unserer Aufenthaltsbewilligung um weitere 90 Tage sei ein kleiner Klecks. Sie interessiert sich sehr für unsere Reise und bei etwas Smalltalk geben wir im Büro unser Visitenkärtchen ab. Die Formulare sind schnell ausgefüllt und wir erhalten den Auftrag, auf der Post pro Person 110 Riais (ca. 30.– CHF) einzuzahlen, was wir postwendend erledigen. Aber als wir wieder zurückkommen, sitzt unsere Gabriella stirnerunzelnd vor dem Computer und erklärt uns, dass am 25. November 2015 neue Aufenthaltsbestimmungen erlassen worden seien, die auch uns betreffen. Für Schweizer gilt neu: 90 Tage Aufenthalt halbjährlich. Ihr Chef habe ihr mitgeteilt, es gebe keinen Tag länger für uns. Wir müssten sofort ausreisen. Da machen wir lange Gesichter, wir brauchen doch auch einige Tage zum Ausreisen. Nein, sie könne leider nichts machen, und dass die Behörde in Oiapoque, wo wir eingereist sind, das nicht gewusst habe, sei unser Pech. Gut, dann wollen wir wenigstens unser Geld wieder zurück, denn wir können die Einzahlung nicht als vorbezahlte Busse verwenden. Für die Behörde wäre es das Einfachste wenn wir jetzt abzotteln würden, uns illegal im Land aufhielten, und bei Strassenkontrollen etwas Bussengeld abliefern würden. Bei der Ausreise müssten wir aber nochmals in die Tasche greifen. Gabriella zeigt uns das Bussenreglement, die Bussen sind lächerlich, aber wir wollen in diesem korrupten Land nicht einfach einem Polizisten Geld in die Hand drücken, denn es findet die richtige Kasse nie. Dann ruft sie die Post an, damit uns das Geld zurückerstattet wird. Wir sausen also wieder zur Post wo es ewig dauert, bis wir drankommen und selbstverständlich hat noch nie jemand einen Storno gemacht. Etwas kafkaesk ist die Situation dann, als der Postchef uns mitteilt, dass die Polícia Federal soeben angerufen habe um den Storno zu annullieren. Wir sausen in die andere Richtung zurück, wo Gabriella lachend hinter dem Computer sitzt. Sie habe unterdessen nochmals unsere Pässe studiert und wir wären ja zum ersten Mal schon im September 2015 nach Brasilien eingereist und darum gelte für uns noch die alte Regelung. Sie stellt eine komplizierte Rechnung auf, der wir nicht ganz folgen können, die auch überhaupt nicht logisch ist, aber für uns springen immerhin 63 zusätzliche Tage heraus. Das entlockt uns ein Schmunzeln, wir bedanken uns und machen, dass wir fortkommen, bevor der Chef herausfindet, dass die Rechnung falsch ist. Die andere Sekretärin hat sich in der Zwischenzeit das Visitenkärtchen unter den Nagel gerissen und ist hin und weg von den Fotos ihres schönen Landes. Es ist wirklich schön, sonst hätten wir ja nicht noch länger hierbleiben wollen.