28 – Wiedersehen macht Freude

11. September – 28. September 2015

Route: Aquidauana > Pocone > Caceres > Porto Velho

In Aquidauana bleiben wir hängen. Wir müssen mal wieder Gas auffüllen, eine Flasche ist leer und die andere so gut wie. Gas auffüllen ist immer so eine Sache. Mittlerweile besitzen wir diverse Adapter aber natürlich funktioniert keiner für Brasilien. Nach einigem hin und her stehen wir in einer Schlosserei, die uns ein neues Gewinde in den argentinischen Adapter schneiden sollen, den wir ja nicht mehr brauchen. Das sei keine grosse Sache, wir sollen in vier Stunden wiederkommen. Diese Zeit vertrödeln wir im regnerischen Aquidauana, wo nicht viel los ist. Die freundlichen Damen der Touristeninformation helfen uns, eine schöne Bleibe im Nordpantanal zu finden, wo wir unsere einjährige Reise feiern wollen. Leider ohne Erfolg, in der Hochsaison ist alles ausgebucht und einfach campieren ist in den Luxuslodges nicht erlaubt. Unser Gewinde ist natürlich nicht fertig und wir werden auf den Samstagmorgen vertröstet. Wir verbringen die Nacht auf Anraten unserer brasilianischen Velofreunde auf einem Fischercamping in Piraputanga. Es giesst in Strömen, der sonst glasklare Fluss ist eine braune Brühe, es ist kalt, wir sind gezwungen, die Heizung anzumachen, wir haben grad noch knapp 10 Grad. Anderntags ist das Gewinde aber fertig und wir beschliessen, trotzdem Richtung dieser schönen Lodges zu fahren, auf eigene Faust, irgendwo wird es schon einen Stellplatz in der freien Natur geben. Die Strassen sind nicht so schlecht, wie man uns am Telefon gesagt hat. Nur, als es durch eine tiefgründige, grüne Wiese geht, und das Wasser über unserer Motorhaube zusammenschlägt, die Oellampe auch noch aufleuchtet, beschliessen wir umzukehren. So viel Action muss heute nicht sein und da alles so durchnässt ist, wäre es auch zum Übernachten ungemütlich geworden. Also wieder zurück nach Aquidauana und auf der Asphaltstrasse Richtung Nordpantanal. Die Sonne scheint wieder, wir übernachten auf tollen Fischercampingplätzen und geniessen zum Znacht frische Fischknusperli. Einmal werden sie uns gleich ins Auto geliefert. Brasilianischer Service – Muchissima Obrigada (vielen Dank)! Ein andermal wollen sie uns Fische schenken, ich musste ablehnen, die Fische haben so viele Gräte, dass man sie nur fritiert essen kann. Filetieren ist unmöglich, da ist nachher nichts mehr am Fisch. Also wird für uns ein Sashimi zubereitet und der nächste Gang besteht dann aus den obligaten Fischknusperli. Nichts ölig oder fettig, wirklich fein, da bin ich heikel. Nach meiner Magenschleimhautentzündung in Bolivien sowieso.

Bis wir die Transpantaneira, die Strasse durch den Nordpantanal erreichen, fahren wir hunderte Kilometer Asphaltstrasse. Heiss und heisser wird es, die Landschaft ist hügelig, mal abwechselnd Getreidefelder, Mais, Soja oder Viehwirtschaft. Am Strassenrand hängen die grossen Plakattafeln internationaler Chemiekonzerne für Spritz- und Düngemittel. Es sind die gleichen, die man auch in Europa kennt. Eine Straussenfarm bietet willkommene Abwechslung. Eingeklemmt zwischen 9-achsigen Lastwagen mit einer Länge zwischen 25,5 und 30m Länge geht die Fahrt weiter.

Endlich sind wir in Poconé, dem Tor zum nördlichen Tierparadies. Einkaufen, vor allem einen neuen Trinkwasserbidon und dann los. Das obligate Foto unter dem Eingangstor „Transpantaneira“. Wieder Kaimane, tausende Vögel, unser erster Sumpfhirsch, Echsen, wir kommen gar nicht aus dem Staunen heraus. Auf der Fazenda Vitória finden wir eine tolle Campingunterkunft. Jean-Louis empfängt uns herzlich. Sein Vater war Schweizer, er ist in Brasilien aufgewachsen und Verwalter des schönen Ortes. Hopp in den Swimmingpool. Das wifi ist ebenfalls super schnell. So können wir mal abchecken, wo unsere Reisebekannten sind. Von Reinhard und Ingrid haben wir in Sucre erfahren, dass die Einsiedler Michael und Pirmin, die wir in Argentinien und Chile trafen, etwa unsere Route fahren. Auf ihrer Website haben sie einen GPS Tracker und so können wir beobachten wo sie gerade fahren. Huch, die sind ganz in der Nähe und anderntags stehe ich früh an der Strasse. Die Wiedersehensfreude ist gross, vor allem weil auch noch Nathalie und Flavio, mit denen wir schon Filet in Argentinien gebrätelt haben, dabei sind. Schnell sind wir alle am Tratschen und Erfahrungen austauschen, der Nachmittag vergeht wie im Flug. Wir alle haben unser erstes Reisejahr mit vielen schönen Erlebnissen zu feiern. Gemeinsam unternehmen wir eine Bootstour, Otter und Jaguare locken, doch das Boot scheint Probleme mit den Wasserpflanzen zu haben und verheddert sich mehrmals. Aus dem Bootstrip wird ein eher peinlich amüsanter Bootstrip, bei dem wir die Mannschaft anfeuern, die mitten im Fluss das Boot wieder fit machen muss. Unsereiner hätte sich wohl nicht in diesen Fluss reingetraut. Aber die Kaimane wären ja nicht aggressiv, meint unser Führer. Ein Coati, so etwas wie ein Waschbär und ein Pudu, ein ganz kleiner Hirsch sind uns dann aber doch noch über den Weg getrippelt.

Unsere Wege trennen sich anderntags, wir fahren Richtung Porto Jofre, die anderen kamen mit der Fähre dort an und fahren Richtung Poconé. Wir werden uns wohl eher nicht mehr treffen. Die Reiserouten sind zu verschieden.

Kurz vor Porto Jofre windet sich eine kleinere Anakonda über die Strasse. Statt auf den Campingplatz fahren wir zum Hotel Pantanal Norte und dürfen dort kostenlos einige Tage stehen und ebenfalls wie auf der Estancia Vitória sämtliche Hoteleinrichtungen benützen. Wir nutzen das Angebot bei dieser Wärme gern und buchen für den Samstag eine Bootstour. Morgens um halb sieben geht es James Bond mässig mit einem 115 PS Boot auf dem Rio Paraná zur Tierschau. Nebst den allgegenwärtigen Kaimanen ist es uns gegönnt, 5 Jaguare und eine Riesenotterfamilie zu beobachten. Nie mehr werden wir das Knurren der Jaguare vergessen, nie mehr die putzigen Riesenotter, die trotz aller Verspieltheit ein rasiermesserscharfes Gebiss haben. Unser zweites Jahr beginnt aufregend und überglücklich über so viel aussergewöhnliche Tierbegegnungen fahren wir zurück zu Jean-Louis. Als wir dann dort auch noch einen kleinen Ameisenbären beobachten können, sind wir hin und weg. Nun geht’s definitiv weiter Richtung Amazonas.

Die Savannenlandschaft wird baumreicher, wir sind im Staate Rondônia, dem jüngsten Staat Brasiliens, erst in den 1920er Jahren erschlossen, wird immer noch Urwald abgeholzt um Land zu gewinnen. Mehr als einmal müssen wir mit Licht fahren, weil der Rauch der abgefackelten Wälder so dick ist wie Nebel. Auch hier wächst Mais und Soja. Ab und zu wirbt eine Werbetafel an einer Fazenda, für Kälber-Embrionen und Transfer. Es mutet komisch an, Zeburinder unter Palmen grasen zu sehen, wenn sie dann noch braune dicke Kälber säugen, bei denen ein Blinder sieht, dass die Jungen nicht von dieser Mutter stammen können, haut’s einem fast vom Autositz. Wir fahren am grössten weltgrössten Fleischverarbeitungskonzern JBS vorbei, der für die meisten Tiere bedeutet, tiefgefroren ebenfalls eine Weltreise anzutreten.

Kurz vor Cacaulândia muss die Aufhängung unseres Stossdämpfers neu geschweisst werden. Eine Reparaturwerkstätte am Strassenrand erledigt das für 50 Reales, ca. 12 CHF. Wahrscheinlich hält diese Schweissarbeit ewig. Die Strassen sind zwar asphaltiert, doch mit freier Fahrt ist da nichts zu machen. Um die Geschwindigkeit der Lastwagen zu drosseln sind alle paar Kilometer hohe Schwellen eingebaut, (wehe dem der sie nicht sieht), oder Radarkästen aufgestellt. In Dorfnähe sowie in der Nähe von Schulen sind die Schikanen ausserordentlich dicht. Die Autos leiden vor allem unter den Schwellen.

Cacaulândia, ein Wort, das mir auf der Zunge zergeht. Wir übernachten auf der Ecoposada Rancho Grande, wo wir wiederum die Hoteleinrichtungen nutzen dürfen und mit einem Pfau Bocchia spielen. Anderntags unternehmen wir mit dem Verwalter einen Urwaldspaziergang. Hier geht es aber nicht um Tiere sondern um die vielfältige Pflanzenwelt. Wir erfahren, dass heute praktisch kein Kakao mehr angebaut wird, Handarbeit ist in Brasilien teurer als in Kolumbien und Venezuela und vor allem teurer als in Afrika. Der angebaute Kakao war von minderer Qualität und nach einem Preiszerfall lohnte sich der Aufwand nicht mehr. Auf abgeholzten Urwaldflächen wird jetzt Teakholz FSC angebaut. Wir diskutieren mehr als einmal über Nachhaltigkeit. Giuseppe öffnet für uns mit seiner Machete eine Paranuss, die eigentlich Nuez do Brasil heisst. In einer grossen hartschaligen Nuss sind 15 bis 20 Paranüsse wie Apfelkerne eingebettet. Aber ohne Machete könnte man neben einer Paranuss verhungern, die einzelne Nuss steckt nochmals in einer hartschaligen Ummantelung. Wir lutschen an der bitteren Rinde des Chininbaumes, die in Wasser eingelegt von den Indios bei Malaria angewendet wird. Uns schmeckt die englische Art besser – Gin Tonic. (In einem guten Tonic ist Chinin der Bitterstoff, prost Rahel).

Blaue Riesenschmetterlinge segeln uns um die Ohren. Rondônia ist das Gebiet mit dem weltweit höchsten Artenreichtum an Sommervögeln. Jeden Abend funkeln auch die Glühfalter um die Wette. Tagsüber sind sie hässliche Falter, ihre Eier legen sie in eine kleine Palmfrucht, wo sich die Larven entwicklen, die von den Indios als proteinhaltige Delikatesse verspeist werden. Auf der Ranch gibt’s zum Znacht Fleisch vom Brahma Rind – und zum Zmorge gibt es Eier – so lieben wir die Proteine eher. Dann ist da noch die Würgfeige, die andere Pflanzen umschlingen muss, damit sie selber einen Stamm bilden kann. Aber genug Botanik für heute.

Heute sind wir in Porto Velho angelangt, dem Ausgangspunkt nach Manaus, dem Tor zum Staate Amazonia.

Im Kautschukboom 1907 wurde mit dem Bau einer Eisenbahnlinie nach Riberalta Bolivien begonnen, durch den Urwald, alles andere als menschenfreundlich. Gelbfieber und Malaria rafften die Arbeiter dahin. 1912 brach der Kautschukmarkt zusammen und das letzte Stück der Eisenbahnlinie wurde nie fertiggestellt. Porto Velho und Manaus fristeten trübe Tage, denn ein listiger Engländer schmuggelte Kautschukpflanzen nach Asien und läutete dort die Kautschukboomzeit ein.

Auf der Suche nach einer Übernachtungsmöglichkeit, in einer Stadt nie ganz einfach denn bei Tankstellen stehen mögen wir nicht, haben wir im Internet einen tollen Campingplatz gefunden. Wir peilen diese Adresse an, da ist nichts, nada, nur eine riesige Halle und ein Swimmingpool. Ein Bursche führt uns zur Sekretärin, die sich unsere Geschichte mit dem Internet anhört und findet, okay, nun seid ihr mal da, dann dürft ihr hier auch übernachten. Nun stehen wir auf dem privaten Fest- und Turngelände einer Firma oder einer Gewerkschaft und dürfen einmal mehr dankbar die tolle Gastfreundschaft annehmen.

Nachmittags haben wir in Porto Velho zwei Optionen für unsere Schiffsreise nach Manaus geprüft. Wir könnten mit einem Lastkahn voller Containern oder auf einem Lastkahn mit Sackgut und Passagieren reisen. Da beide Offerten gleich viel kosten, werden wir morgen mit der zweiten Option nach Manaus verschiffen. Alle bestätigen uns zwar, dass die 850km Reise durch den Dschungel jetzt in der Trockenzeit für unsere Randulina kein Problem wäre, doch wir ziehen es vor, gemütlich den Rio Madeira hinunter nach Norden zu tuckern und den Urwald einmal vom Fluss her zu betrachten.