03. August – 03. September 2015
Route: Pica > Iquique > Salar de Coipasa (Bolivien) > Oruro > Sucre > Samaipata > Santa Cruz > San Javier > San Ignacio de Velasco > San Miguel > San Rafael > Santa Ana > San Jose de Chiquitos > Puerto Suarez
Die eiskalten Nächte auf den Salaren und dem Altiplano sind definitiv Vergangenheit, unser Aufenthalt in der Kolonialstadt Sucre ebenfalls. Die „Ruta del Che“ regt uns zum Denken und Philosophieren an. Che Guevarra ist hier allgegenwärtig. La Higuera wurde sein Sterbeort und gleichzeitig starb auch der Revolutionsgedanke.
Die Menschen werden offener und fröhlicher, das macht auch das Klima. Das Thermometer zeigt tagsüber 40 Grad und nachts etwa die Hälfte an.
Flora und Fauna haben gewechselt. Wir sitzen unter Palmen, die Orchideen oder Philodendronartigen als Wirtspflanze dienen. Die Vogelwelt ist farbig und stimmgewaltig in der Dämmerung. Beim Morgenessen fliegen drei Tucane über unseren Tisch.
Vorbei sind ebenfalls die Ferien in Samaipata bei Inge und Werner, die wir auf unserer Antarktistour kennengelernt haben. Es war eine tolle Zeit mit Wanderungen, Gesprächen und schönen Abenden Werners gemixte Sundowner mit Zuckerrohrschnaps haben unsere Vorfreude auf Brasilien geweckt. In Santa Cruz ist Reifenwechsel angesagt, der Reifenhändler ist so fasziniert von unseren Reifen, dass der Service gratis ist. Dann steigt auch noch unser Navi aus und per Zufall gibt’s gerade in der Nähe ein Geschäft mit dem gewünschten Ding und man lädt uns gleich die ganzen Karten Südamerikas auf’s Gerät. Superservice ebenfalls. Im wunderschönen Parque Güembe übernachten wir dann auch sicher auf dem Parkplatz. Wir staunen auf der Hinfahrt durch die modernen Villenquartiere einmal mehr über die gewaltigen Unterschiede in Bolivien. Oel- und Gasvorkommen sowie Drogenschmuggel haben Santa Cruz zur reichsten Stadt und dem reichsten Departament Boliviens gemacht.
Die Chiquitania ist aber auch kulturell reich – überreich sogar. Das hat sie den Jesuiten, von denen nicht wenige Schweizer waren, zu verdanken. Im 17. Jahrhundert christianisierten die Jesuiten die indigene Bevölkerung, machten die teilweise nomadisierenden Menschen sesshaft und retteten sie so vor der Sklaverei durch die spanischen Eroberer. Statt in der Sklaverei zu darben, erhielten die Chiquitanos Unterricht in Musik und Kunsthandwerk, beides Dinge, die bereits zu ihrem Kulturgut gehörten, aber durch die Mönche verfeinert wurde. Ab dem 18. Jahrhundert entstanden in Zusammenarbeit mit der indigenen Bevölkerung wunderbare Kirchen mit herausragenden Schnitzkunstwerken. Die Jesuiten wurden den Spaniern aber irgendwann zu einflussreich und wurden, wie anderswo auch, aus dem Land gejagt.
Als man sich 1970 dran machte, die Kirchen zu renovieren, wurde der Schweizer Jesuit und Architekt Hans Roth dazu berufen. Roth machte seine Arbeit so gut, dass die Kirchen ins UNESCO – Weltkulturerbe aufgenommen wurden. Ausserdem fand er bei Restaurationsarbeiten viel Notenmaterial aus der Barockzeit, seinem Kollegen Walter Neuwirth verdanken wir, dass diese Musik heute wieder gespielt wird. In allen Dörfern der Chiquitania erhalten Kinder Musikunterricht. Es gibt in jedem Dorf ein Orchester und Chöre und überall sieht und hört man Kinder Geige spielen. Wir kommen am Sonntagmorgen nach der Messe in San Javier in den Genuss eines Konzertes, das ist kein Gefiedel, nein das ist schlicht und ergreifend Meisterklasse. Es werden nationale und internationale Barockmusikfestivals durchgeführt, die Kinder- und Jungendorchester sind auf Tournee in Europa und erhalten eine unvorstellbare Chance für ihr weiteres Leben. Ein Spaziergang in einem einfachen Dorf, 250km von der nächsten Grossstadt entfernt – und es ertönt von irgendwo her eine Geige – eindrücklich. Roth gestaltete auch moderne Kirchen, unter anderem in Chochís, einem kleinen Ort, wo 1972 ein Unwetter das Brückentrassee unterspülte und der Zug abzustürzen drohte. Dank Gebeten der Reisenden stürzte die Brücke erst ein, nachdem der letzte Waggon die Brücke überquert hatte. Viele Menschen in diesem kleinen Dorf überlebten die Katastrophe aber nicht und werden bis heute vermisst, die Fluten müssen unvorstellbar gewesen sein.
Wir erleben die Menschen in der Chiquitania als ausserordentlich freundlich, überall sind wir herzlich willkommen. In Santa Ana, wo die älteste Orgel steht, verbringen wir einen wunderbaren Abend in einem kleinen Restaurant von Dona Emma und übernachten grad auf dem Dorfplatz.
Auf der Fahrt fallen Bäume mit Blüten in den knalligsten Farben auf – knallgelb und pink leuchtet es immer wieder. Die aufgeplatzten Samen der Kapokbäume hängen wie Christbaumkugeln an den Ästen. Unterwegs gibt es Bäche mit warmem Wasser, die trotz der Hitze zum Baden einladen – Wasser ist immer gut, aber der kühle Swimmingpool im Hotel Villa Chiquitana mit angeschlossenen Campingplatz war doch etwas angenehmer.
Bis zum Grenzübertritt in Puerto Suarez nach Corumbá in Brasilien ist es nicht mehr weit und schön asphaltiert. Welch ein Luxus.
Eigentlich wollen wir ganz zackig nach Brasilien, denn unsere Aufenthaltsbewilligung für Bolivien gilt nur noch einen Tag. Aber so schnell können wir Bolivien nicht verlassen. Auf dem Migrationsamt gibt es zwar viele Reisende in einer Warteschlange, aber kein Zöllner für die Abfertigung. Ich frage mich mal durch und der Polizist meint, wir müssten halt warten. Eine halbe Stunde später bemüht sich dann ein Zöllner und nach weiteren 45 Minuten sind wir dann ausgestempelt. Für das Auto müssen wir zur Aduana. Aber die ist geschlossen, weil der Zollbeamte bis 14.30 Uhr Mittagspause hat. „Illegal“ steigen wir ins Auto und fahren wieder in den Ort zurück um etwas zu trinken. Es ist schliesslich erst 13 Uhr.
Da wir die Pünktlichkeit der Südamerikaner mittlerweile gut kennen und uns auch denken können, dass sich auch wieder eine Warteschlange gebildet hat, fahren wir erst um 15 Uhr bei der Aduana vorbei. Vor uns stehen 4 Reisende, die ihr Auto ein- oder ausführen möchten. Super, doch weit gefehlt, für diese vier braucht der Zöllner fast eineinhalb Stunden. Um halb fünf Uhr wird dann endlich unser Auto ausgestempelt. Fazit: Geduld bringt Rosen und vom Arbeiten bekommt man in Bolivien definitiv keinen Herzinfarkt. Brasilien wir kommen.