25 – Von Ritualdörfern und einem Eisberg auf dem Altiplano

26. Juli – 02. August 2015

Route: Uyuni > Oruro > PN Sajama > Putre (Chile) > Salar de Surire > Puchuldiza > Salar de Huasco > Pica

Daheim schauen wir ab und zu im Fernsehen Dokumentarfilme über fremde Länder. Genauso ist das jetzt bei uns. Nur zieht die Landschaft nicht im TV an uns vorbei sondern wir an ihr. Hauptakteure sind Wellblechpisten, Salare, Flamingos, Nandus, Vicuñas, Lamas und Alpacas sowie rauchende Vulkane und Geysire und eben ein Eisberg. Regisseur: die Natur, Drehort: Bolivien und Chile. Statisten und Zuschauer: Wir beide.

Nach dem Exkurs in der bolivianischen Strassenblockade ist die Freiheit grenzenlos! Über die hässliche Stadt Oruro, die im eigenen Müll zu versinken droht (Kehrrichtverbrennungsanlagen oder saubere Mülldepots sind hier ein Fremdwort, der Unrat ist um die Stadt herum verteilt) tuckern wir zum Nationalpark „Sajama“. Der höchste Berg Boliviens, eben der Sajama mit 6542m, ist schon lange sichtbar. Zum Besteigen scheint er schwierig und der Parkranger meinte denn auch, 3 Tage müsste man für die Tour schon einplanen, wir lassen‘s bleiben. Stattdessen füllen wir unsere Wasservorräte auf dem Hauptplatz auf, strolchen durch das hübsche Örtchen, picknicken an der Laguna Huanakuta mit Flamingos und geniessen den Blick auf die Vulkane Sajama, Pomerape und Parinacota, alle drei wunderschöne Gipfel. Der Parinacota hätte auch eine tolle Flanke um mit den Skis hinunterzuwedeln. Wir übernachten mausbeinallein bei den bolivianischen Geysiren und geniessen am Morgen ein Bad im warmen Bächlein. Der Abwasch ist schnell erledigt, dank dem heissen Wasser, das die Natur uns zur Verfügung stellt. Als die ersten Touristen kommen machen wir uns davon und bereiten uns schon mal seelisch für den Grenzübertritt nach Chile vor. Haben wir alles aufgegessen oder gut versteckt? Das Ei habe ich vorsichtshalber im heissen Geysirwasser hart gekocht. So darf ich es über die Grenze nehmen. Ein kleines Picknick mit den letzten Rüebli, Chile wir kommen wahrscheinlich zum letzten Mal. Der Grenzübertritt in Chungará verläuft etwas kompliziert, aber nach eineinhalb Stunden haben wir es geschafft. Die Bolivianer haben eine etwas chaotische Reihenfolge, die Chilenen wollen wieder mal unsere Koffer röntgen, und werden rot, als wir ihnen sagen, unser Auto sei ein kleines Wohnmobil, wir hätten keine Koffer. So wird der Ordnung halber mein halbleerer Rucksack durchleuchtet.

In Putre gibt’s nach langem wieder Einkaufsmöglichkeiten, wifi und ein Restaurant, wo wir Alpacafleisch mit Quinoa geniessen. So erübrigt sich das grosse Gekoche am Abend.

Anderntags fahren wir im Staub Dutzender Lastwagen, den rauchenden Vulkan „Guallatire“ immer im Blickfeld, Richtung „Salar de Surire“. Leider beruft sich eine private Minengesellschaft auf alte Schürfrechte und baut mitten im Salar und im Nationalpark Borax ab. Dieses weisse Mineral entsteht, wenn Salzseen austrocknen, ausserdem kommt es in Vulkanschloten vor. Man verwendet es für Glasuren, zur Glas- und Emailproduktion und im Haushalt wird es in Seife, Wasserenthärtern und in Waschmitteln (PerBORat), in Putz- und Bleichmittel und in Desifektionsmitteln verwendet.

Dass hier in dieser Abgeschiedenheit auch noch Menschen leben, zeigt sich an den grossen Lama- und Alpacaherden. Statt Mustangs wie im wilden Westen, rennen diese Tiere am Abend durch das Bachbett, während wir unseren Apéro geniessen. Ein faszinierendes Schauspiel. Überhaupt sind diese „Bofedales“ die Sümpfe das Herz der Region. Den Enten, Gänsen, Nandus, Vicuñas, Lamas und Alpacas dienen die Sümpfe als Nahrungsgrundlage. Viel Futter ist da vorhanden und für den Mensch auch Trinkwasser.

Im Gegensatz zum „Salar de Uyuni“ ist der „Salar de Surire“ für Private nicht befahrbar. Wir fahren also um den Salar herum und bestaunen die Natur. Die zahlreichen Flamingos, die sich anscheinend an den Lärm der Lastwagen gewöhnt haben, sind mehr als nur rosa, sie sind fast bordeauxrot. Die Landschaft ist mehr als grandios. Bald schon sehen wir Dampfwolken. Das müssen die „Termas de Polloquere“ auf der anderen Seite des Salars sein. Das Wasser tritt mit ca. 66oC aus dem Untergrund aus, füllt verschiedene Naturbecken und erinnert uns an die „Blue Lagoon“ in Island. Die Temperatur in den Badebecken mit den kleinen Inseln beträgt etwa 45-50oC. Ziemlich heiss also, aber hat man sich daran gewöhnt, hält man es gut und gerne 20min aus. Die Sonne scheint zwar, aber auf über 4000m ist es etwas kühl, also ideal für den umgekehrten Saunaeffekt, genauso wie wir es in Island kennengelernt haben. Man wärmt sich im Wasser auf und kühlt sich am Land ab. Ein junger, brauner Flamingo gesellt sich zu uns, entweder will er seine Füsse wärmen oder die kleinen Krebsli sind hier besonders fein. Nach diversen „Saunagängen“ riechen wir etwas schweflig, sind aber porentief rein.

Vorbei an ausgestorbenen Dörfern mit hübschen Kirchen geht’s nach Enquelga. Die meisten Dörfer werden von den „Aymaras“ einer ethnischen Gruppe der Ureinwohner nur noch als Ritualdörfer zu verschiedenen Festen aufgesucht und sind grösstenteils ausgestorben. Die Festtage der Aymara fallen oft mit den katholischen Festlichkeiten zusammen, nur ist der Ursprung ganz anders. Die spanischen Missionare haben das Christentum nach Südamerika gebracht und die indigenen Völker haben auf deren Druck christliche Bräuche übernommen ohne ihre eigenen aufzugeben. Neben den Kirchen findet sich meist ein grosser Platz auf dem die Aymara ihre Rituale und Festlichkeiten abhalten. Die Missionare bauten die Kirchen nämlich gleich neben den Ritualplatz der Indios.

Auch hier im Nationalpark „Volcán Isluga“ wo der Vulkan kräftig raucht, gibt es „Aguas Calientes“. Nach den nachmittäglichen heissen Wassertemperaturen erscheint uns 28oC aber doch etwas sehr kühl. Also lassen wir das Baden bleiben und sehen lieber der Schäferin zu, die ihre Schafherde mit Pfiffen über die Weide dirigiert. In einem Gespräch erklärt sie mir, dass die Schafmilch zu Käse verarbeitet werde und die Lamas und Alpacas im November geschoren werden wie die Schafe. Den zierlichen wilden Vicuñas wird etwa alle 1-2 Jahre das feine Fell gekämmt um an die weiche Wolle zu kommen. Im Frühling, also in unserem Herbst, sei das ganze Land grün und sie würden hier auf dieser Höhe Kartoffeln und Quinoa anbauen.

Am anderen Morgen reizt uns das „Agua caliente“ aber doch, in einem Hallenbad bei uns ist das Wasser meist von gleicher Temperatur. Also vorsichtig reinsteigen und siehe da, nach kalter, klarer Vollmondnacht ist es doch genau das richtige, eine Runde zu schwimmen und dass wir heute wieder staubig werden ist doch klar denn uns lockt das Geysirfeld „Puchuldiza“ ebenfalls im Nationalpark „Volcán Isluga“. Unzählige kleine und grosse kochende Wassertümpel (das Wasser kocht auf dieser Höhe bereits mit 85oC) sind hier zu finden und als grosser Akteur in diesem Dokumentarfilm auch ein Geysir, der unablässig sein heisses Wasser ca. 10m hoch in die Luft bläst. Da es nachts eiskalt ist, entsteht ein Eisberg, der in dieser Szenerie etwas seltsam anmutet. Wir können uns nicht sattsehen, spazieren auf dem Geysirfeld herum und entschliessen uns, hier zu übernachten. Neben uns ein trockenes Loch, während wir Kaffee trinken gurgelt und sprudelt es dort. Das trockene Loch ist zum Leben erwacht, Wasser kocht, steigt und füllt das ganze Becken, nach 5min ist der Spass vorbei, das Wasser zieht sich zurück und übrig bleibt das trockene Loch im Boden, das Schauspiel wiederholt sich nach etwa einer Stunde. Einen anderen Geysir sehen wir ganz zufällig aufsteigen, ein Spiel das der Zufall bestimmt. Ein irres Spiel am Abend, beim Sonnenuntergang scheint die ganze Erdkruste aufzubrechen und das ganze Feld in Dampf zu hüllen.

Und dann geht’s weiter über den „Paso Alto Chaviri“, dessen gute Strasse uns auf 5081m hinaufführt. Einige Stunden später spazieren wir am „Salar de Huasco“ auf weissem Borax herum, bewundern Nandus, Lamas und vor allem Flamingos. Einträglich waten grosse Andenflamingos, Chilenische Flamingos und die kleinen James Flamingo im feuchten Teil des Salars herum, immer auf der Suche nach ihrem Lieblingsfutter, kleinsten Krebschen mit viel Carotin, dass das Gefieder so schön rosa färbt. Einige Nandus springen mit langen Schritten davon und Lamas grasen friedlich das harte Gras ab.

Unsere grosse Altiplano Rundfahrt ist nun abgeschlossen. Wir fahren weiter nach Pica, wo ein gänzlich anderes Klima herrscht. Hier werden die kleinen Limonen, die in den Pisco Sour gemixt werden und viele andere tropische Früchte angebaut.