26. Januar – 09. Februar 2015
Route: El Chalten > Los Antiguos > RN Lago Jeinemeni (Chile) > Valle Exploradores > Chaiten
Die Fahrt durch die Pampa kann durchaus auch ihre Reize haben. Nandus und Guanakos führen ihre Jungtiere spazieren, ein minzegrüner Fluss mäandriert durch Hügel, die in allen Brauntönen schillern, wo Wasser ist, hat es sattgrüne Bäume oder Sträucher, es geht auf und ab. In Gobernador Gregores, einem kleinen Strassendorf ist eine Chilbi aufgestellt und ab irgendwann ist sogar die Strasse asphaltiert.
In Los Antiguos sind die Kirschen reif, wir schlagen uns den Bauch voll, mitnehmen nach Chile dürfen wir keine. Aber wir sind inzwischen Profis und schaffen den Grenzübertritt von Antiguos nach Chile Chico spielend. Der Zöllner ist von unserer Dusche und dem WC angetan und vergisst, dass er unsere Lebensmittel hätte kontrollieren sollen. So kommt unser argentinischer Honig wieder einmal mehr über die Grenze. Aber irgendwann werden wir in Chile Honig kaufen und nachdem dieses Glas leer ist, jeweils den Argentinischen darin abfüllen.
Ab Chile Chico ist die Strasse Schotterpiste. In Chile Chico befindet sich das Reserva Nacional Lago Jeinimeni. Das dortige Valle Lunar wird im Reiseführer gross als kleine Ausgabe des Valle de la Luna bei San Pedro in der Atacama Wüste beschrieben. Wir waren noch nicht dort, aber die kleine Ausgabe ist auf jeden Fall schon sehr spektakulär. Verwitterte Felsformationen in allen Pastellfarben, Fabelwesen, Steinsäulen. Wind und Wasser sind als perfekte Bildhauer und Maler in Aktion. Der Lago Jeinimeni dann als tiefblauer Edelstein inmitten von Bergen. Der Parkranger erlaubt uns, mit unserer Randulina ausserhalb des offiziellen Campings direkt am See zu übernachten. So geniessen wir also unseren Privatstrand – Baden verboten! Aber es wäre sowieso zu kalt. Anderntags entdecken wir für uns auf einer Wanderung die Laguna Esmeralda und den Lago Verde. Müssen dabei aber einige Male reissende Bäche durchqueren. Glücklicherweise ist Stefan standhaft, er hat den Rucksack mit dem Fotoapparat, mich spült es grad weg und so überquere ich die meisten Bäche halb schwimmend, halb kriechend. (Und ja, wir haben uns vorher ausgezogen und nein, davon gibt es keine Fotos!)
Von Chile Chico zuckeln wir nun auf der Schotterpiste dem Lago Carrera, oder arg. Lago Buenos Aires entlang. Er ist nach dem Titicacasee Südamerikas zweitgrösstes Binnengewässer. Im Hintergrund glitzern die Gletscher des Campo Hielo Norte oder des Campo San Valentin, die Inseln im See erinnern an schlafende Dinosaurier, am Wegrand blühen Hagebutten und Fuchsien. Ab Cruce el Maiten befahren wir die „Carretera Longitudinal Austral Presidente Pinochet“ kurz Carretera Austral oder Ruta 7 genannt. Diktator Pinochet gab den Auftrag, der argentinischen Grenze entlang in Chile eine Nord-Süd Verbindung zu bauen. Und so wurde also eine schlangenartige Strasse in den Urwald hineingehauen. Heute teilweise asphaltiert aber das Meiste noch als staubige Schotterpiste. Wir begegnen vielen Velofahrern, die oftmals mit Mund- und Nasenschutz auf dieser Staubstrasse nach Süden radeln. Man könnte seine Nase auch direkt in einen Mehlsack stecken und tief einatmen, nur die Aussicht wäre nicht so perfekt. Unser Auto sieht auch dementsprechend aus. Innen und aussen – überall feinster Staubpuder.
Eigentlich könnte man den Fotoapparat auf Autopilot stellen. Die Strecke ist so schön und abwechslungsreich und die Natur wirklich spektakulär. Kurz vor Puerto Tranquilo, einem winzigen Dorf, das nur aus Minimercados, einer Copec Tankstelle (wo wir endlich das Atlaswerk Chiletur 2015 kaufen können), Cafés und Touranbietern zu bestehen scheint, besuchen wir die Catedrales de Marmol. Hier lassen wir die Bilder sprechen.
Die Fahrt ins Valle Exploradores war ein MUSS. Auf ca. 70 km durchfährt man eine Landschaft bestehend aus Seen, gewaltigen Auen mit türkisblauen Flüssen, tosende Wasserfälle, Gletscher und die Vegetation des kalten Regenwaldes: Fuchsien, Lianen, Riesenfarne, Bambus, alle Arten der Südbuche mit ihren winzigen Blättern, Riesennalcas, eine Art Rhabarber mit Durchmessern von mehr als einem Meter und halbmeterhohen Blütenständen. Um den Urwald zu durchwandern, müsste man eine Machete mitbringen, es gibt sonst kein Durchkommen. Je weiter wir in diese Landschaft hineinfahren, je mehr verdichtet sich der Dschungel, es beginnt zu regnen und wird merklich kühler. Eine oder zwei Brücken fehlen noch um den Rio Exploradores zu überqueren. Die Lagune San Rafael mit ihrem imposanten Gletscher muss noch per Boot angefahren werden. Aber immerhin gibt es mitten im Nirwana eine Flugpiste.
Auf der Carretera Austral gibt es auch Streckenabschnitte die auf über 1000müM hinauf führen. Die Landschaft ändert sich drastisch. Basalttürme, pastellfarbene Geröllhalden, abgestorbene Bäume wie Mahnmale, hier ist alles vulkanischen Ursprungs. Teilweise noch ganz frisch. 1991 spuckte der Hudson seine Asche aus. Dann wieder kleinräumige Landschaft mit Viehzucht und es wird „gheuet“ und siliert. Und zur Abwechslung mal wieder Asphalt. In Coihaique plündern wir die Fruteria.
Speziell ist die Wanderung durch den kalten Regenwald im Nationalpark Queulat. Durch den Märchenwald geht’s steil hinauf zu einem Ventisquero, einem Hängegletscher, der sich in zwei prächtigen Wasserfällen ergiesst. Immer wieder brechen Eisblöcke ab, ein faszinierendes Schauspiel, wenn sich der Wasserfall verbreitert und es donnert und kracht.
Rüttelnd und schüttelnd geht es holpernd und staubig auf der Carretera Austral nach Chaiten. Auch hier hat ein Vulkan 2008 gewirkt. Das Städtchen an der Pazifikküste wurde völlig unerwartet von einem Vulkanausbruch heimgesucht. Aschewolken überzogen die Gegend die Menschen wurden evakuiert aber sie kamen zurück und sind immer noch am Wiederaufbau ihrer Heimat beschäftigt. Sie kommen mir vor wie der Urwald, das Abgestorbene dient als Basis für neues Leben. Natürlich besteigen wir den Vulkan Chaiten, eine strenge Angelegenheit für kurze Beine da der Weg steil ist und hohe Stufen aufweist. Oben dann nur noch rutschige Asche, aber was für ein Ausblick auch im doppelten Sinn des Wortes.
Denn wir treffen in Chaiten an der Caleta Santa Barbara nicht nur herzige Seelöwen und Delfine sondern auch unsere lieben Freunde Frizzi, Christoph, Julia und Andreas. Das gibt lange Abende mit Erzählen und gemeinsamem Kochen…und einem nächsten Treffpunkt: Mendoza inklusive Winetasting. Oh, wir freuen uns darauf. Doch vorher spazieren wir noch durch einen Alercenwald. Die Alerce (Fitzroya cupressoides) ist eine Zedernart, aus der traditionell Schindeln gemacht wurden. Das Holz ist praktisch wasserdicht und witterungsbeständig. Nur wurde Raubbau betrieben und die Alercen fast alle abgeholzt und die Restbestände müssen daher unter strengen Schutz gestellt werden. Die Bäume erreichen Höhen von bis zu 70 m und Durchmesser von bis zu 4 m. Sie können mehrere tausend Jahre alt werden.
Nun verlassen wir das Festland und schippern zur Insel Chiloe.