Es war einmal vor langer, langer Zeit im Parque Nacional Torres del Paine, es war etwa Mitte Januar 2015. In diesem wunderschönen Park am südlichsten Zipfel von Chile hat es herrliche Berge, grosse Seen in den verschiedensten Farben, strenge Wanderwege aber ganz schlechte Strassen. Irgendwann auf den endlosen Ripio Pisten (zu Deutsch Wellblechpisten) fängt unsere Randulina ganz zart an zu quietschen. Wir messen dem vorerst keine allzugrosse Bedeutung zu und denken, dass unser Fahrgestell einfach etwas zu viel Staub schlucken muss.
Auf der Weiterfahrt Richtung El Calafate in Argentinien wird das Quietschen immer lauter und der dauernde Gesang unserer Randulina belastet unser Gehör soweit, dass wir beschliessen im letzten grösseren Ort für lange Zeit, einen Autodoktor aufzusuchen. Ein hilfsbereiter Argentinier in einer Gomeria (Pneuwerkstatt) führt uns zu seiner Werkstatt. Hier kümmern sich drei Arbeiter trotz Feierabend wohlwollend um das Geräusch, demontieren alle Räder, da auf den vielen Schotterstrassen oftmals Sand und Steine zwischen Räder und Bremsen geraten können. Alles wieder montiert, singt unser Land Rover nach wie vor. Ja, dann müsse das am mangelnden Oel in den Achsen liegen, meinen unsere Helfer. Aber da seien sie nicht die Richtigen. Wir erhalten die Adresse einer Lubrificacion (Oelwechselwerkstatt), da die aber mittlerweile Feierabend hat, wird die Aktion auf morgen vertagt. Nein, nein, ist der Befund, mit dem Oel sei alles in Ordnung. Aber vielleicht liege es am Differenzial! Aber an dieses Teil traut sich keiner ran. Was nun?
Per Zufall sehen wir in einem Tourist-Adventure-Laden ein Angebot für Offroad-Touren mit Land Rovern. Also ist unsere Schlussfolgerung, deren Fahrzeuge müssen auch gewartet werden. Wir gehen mit unsrem ungewöhnlichen Anliegen in den Laden, wo die Verkäuferin ein langes Gesicht macht. Sie telefoniert aber mit ihrem Chef und kommt strahlend zurück mit der Lösung unseres Problems. Einmal im Jahr, am Ende der Saison, lassen sie einen Mechaniker aus Buenos Aires einfliegen und wir könnten unser Auto dann auch bringen. Da das Ende der Saison aber noch lange nicht in Sicht ist, haben wir immer noch eine quietschende Schwalbe. Noch ein letzter Anlauf in El Calafate bei einem Allround-Mechaniker. Er macht zwei Probefahrten mit uns, teilt uns mit, dass das Geräusch ja nur gering sei und jeder Land Rover Geräusche mache. Es sei jedenfalls nichts Gravierendes und wir könnten ohne Sorgen weiterfahren.
Das machen wir wohl oder übel auch. Mit jeden tausend Kilometern auf gröbsten Schotterstrassen und abenteuerlichen Pisten jodelt unser Auto in einer zusätzlichen Tonlage und zunehmend lauter. Wir oelen, fetten und schmieren, aber alles hilft nur für kurze Zeit. Aber nichts desto Trotz lässt uns unser fahrendes Heim nie im Stich und kraxelt zwar protestierend aber ohne Widerspruch die steilsten Pässe hinauf. Zwischendurch versuchen wir es mit einer gründlichen Unterbodenwäsche, aber jetzt kommen die Töne einfach etwas klarer und reiner als im staubigen Zustand.
In den Wüstengebieten im Norden Chiles, wo uns die Pisten des Öfteren auf weit über 4000m hinaufführen, kommt zum Quietschen und Singen noch ein rumpelndes Rasseln dazu. So kann es nicht mehr weitergehen. In Antofagasta, der zweitgrössten Stadt Chiles, finden wir eine Land Rover Vertretung. Hier kümmern sich sofort drei Mechaniker um die Ursache des Geräusches, das mittlerweile unschwer erkennbar von der Kardanwelle ausgeht. Das Kreuzgelenk sei defekt befinden sie. Ein Ersatz sei aber nur in Santiago (1500km südlich) vorhanden. Wenn sie das Teil kommen lassen, müssen wir das Ersatzteil plus die Versandkosten so oder so bezahlen. Sie sind nämlich nicht sicher, ob es dann auch wirklich passen würde. Um sicher zu gehen, dass mindestens die Geräuschursache eindeutig ist, lassen wir die Kardanwelle ausbauen. Kaum ist die Welle draussen, ist die einstimmige Meinung, dass nicht das Kreuzgelenk, sondern das Doppelkreuzgelenk kaputt sei. Da müsse die Kardanwelle ausgewechselt werden und in Santiago gibt es nur eine zu kleine und zu schwache Version. Der Servicechef meint, dass es einen bis zwei Monate dauern würde, wenn sie eine entsprechende Kardanwelle in England bestellen würden. Das wird ja immer besser!
Wir kabeln mit unserer Garage Overlandtechnics in Dürnten. Kein Problem, meint Werkstattchefin Anna, ich schicke euch morgen das neue Teil per DHL Express. Anderntags erfahren wir, dass das Paket bereits unterwegs ist und in 5 Tagen in Antofagasta sein sollte. Nun staunen die Leute der Garage in Antofagasta!
Tatsächlich ist das Paket nach einer Reise von Dürnten via Basel – Leipzig – Madrid bereits drei Tage später in Santiago. Ab hier wird es wieder etwas gemütlicher. Unsere Lieferung bleibt vorerst drei Tage liegen. Dank der Nachfrage von Anna aus der Schweiz stellt sich heraus, dass das Paket erst weitertransportiert wird, wenn jemand die fälligen Gebühren und Taxen bezahlt. Ein schwieriges Unterfangen, denn nur eine Bank kann die Transaktion vornehmen und wir sind zu spät, denn die Bank schliesst um 14 Uhr und anderntags ist Feiertag. Doch auch das erledigt Anna von der Schweiz aus für uns – Superservice, vielen Dank!
Und so landet am Freitag, 22. Mai unsere neue Kardanwelle in Antofagasta und eine Stunde später ist sie fachgerecht montiert. Nach vier Monaten und über 10‘000km hört unsere Randulina schlagartig auf zu singen. Wir sind glücklich und die Mechanikercrew der Garage auch, einerseits weil sie uns endlich los sind und andererseits wegen der Schweizer Schokolade, die sie als Geschenk erhalten.
Auf zu neuen Abenteuern!