06 – Antarktis-Cruise

16. Dezember 2014 – 08. Januar 2015

Route: Ushuaia > Falklandinseln > South Georgia > South Sandwich Islands > South Orkney Islands > South Shetland Islands > Antarctic Peninsula > Drake Passage > Ushuaia

Herzlich Willkommen im 2015. Wir hoffen, ihr seid auch so gut gestartet wie Stefan und ich. Erinnert ihr euch an unsere letzten Aufzeichnungen? Ja, genau, wir haben eine Cruise in der Antarktis gebucht. Nun sitze ich also in der Club-Lounge (sprich Bar) der „Sea Spirit“ und schreibe am Bericht. Wir sind mitten in der Drake Passage und befinden uns fast 2 Tagesetappen von Ushuaia entfernt, sind also auf hoher See.

Die „Roaring 40, die Furious 50 und die Screaming 60“ haben wir überlebt und bringen mehr als die Hälfte unserer vorsorglich gegen Seekrankheit eingepackten Stugeron Tabletten wieder mit. Nicht weil wir von der Bordärztin mit effizienteren Mitteln hätten versorgt werden müssen, sondern weil die antarktische See so aussergewöhnlich ruhig war. Aber herzlichen Dank an Adu und Jürg, die uns als erfahrene Seebären so gut beraten haben.

Wir waren 23 Tage auf See und für die Statistikfans ist zu sagen, dass wir 15 Landgänge, 7 Ausfahrten mit den Zodiacs und gut 4000 Seemeilen (ca. 7500km) erleben durften.

Unsere Schiff „Sea Spirit“ beherbergt 89 Passagiere dazu das 14 köpfige Expeditionsteam unter der Leitung von Cheli Larsen und natürlich die ganze übrige Crew, die uns täglich auf’s Neue verwöhnt.

Was wir erleben, ist fast nicht in Worte zu fassen. Ich versuche es trotzdem für euch.

Für Ausfahrten und Landgänge verkleiden wir uns mit wasserdichten Hosen und Gummistiefeln und stürzen uns in gelben Jacken und in die Rettungsweste. Die Zodiacs sind bereit um uns vom Marinadeck aus aufzunehmen. Bei Wellengang ist das eine schauklige Angelegenheit. Mit dem 60 PS Aussenbordmotor ist das Zodiac etwas mehr als nur ein Gummiböötli. Es ist praktisch und dauerhaft – sogar als ein See-Leopard daran knabbert. Zum Glück, als wir zusehen können, was dieser Jäger aus einem jungen See-Elefanten macht wird uns allen ein wenig mulmig zumute. Bei solchen Aktionen zücken dann die 10 Zodiacinsassen ihre Kameras und würde es noch Rollfilme von Kodak geben, wäre just in diesem Moment ein Filmwechsel nötig.

Der See-Leopard ist als gefrässige Räuberrobbe bekannt obwohl seine Mahlzeiten aus bis zu 50% Krill bestehen. Hat er Lust auf mehr, kann das täglich bis zu 15 Pinguinen das Leben kosten. Der heikelste Part für die Pinguine ist der des „Einwasserns“, denn der Seeleopard patroulliert an diesen Orten im Wasser. Um ihn zu verwirren hüpfen Pinguine gemeinsam in relativ grosser Zahl ins Wasser und sichern sich so ihre Überlebenschance.

Auf den Falklands (Carcass Island, Saunders Island und West Point Island) besuchten wir eine Albatroskolonie und die lustigen Rockhopper Pinguine. Albatrosse haben uns mit ihrer Flügelspannweite von 2,5 bis 3,5 m mehr als beeindruckt. Ohne einen Flügelschlag nutzen sie die Winde aus und segeln bis zu 10‘000 km von ihren Brutplätzen weg, Jungvögel verbringen 3-5 Jahre auf See, ohne jemals einen Fuss ans Land zu setzen, erst dann paaren sie sich und richten ihr Nest ein. Rockhopper Pinguine legen etliche Höhenmeter von ihren Nestern zur See mehr oder weniger hüpfend und kletternd zurück. Den kleinen Kerlen mit der lustigen Frisur ist nichts zu steil. Für uns gibt es anschliessend einen echt britischen 5’o Clock Tea auf einer englischen Farm / Estancia mit einer Auswahl, die nicht zu übertreffen ist.

Und natürlich besichtigen wir Stanley, den Hauptort der Falkland Inseln. Ein hübscher gepflegter echt englisch anmutender Ort mit Pubs und Fish & Chips, Vorgärten und … richtig…Land Rovern aller Art. Hier funktioniert nichts ohne Landi, weder die Polizei noch die Feuerwehr. Vor jedem Haus steht einer. Stefans Herz hat gleich höher geschlagen. Irgendwann werde ich ihm ein Ticket nach Stanley kaufen müssen, und er wird mit einem alten Landi zurückkehren.

In South Georgia bestaunen uns tausende Königspinguine mit ihren Jungen, die von den ersten Seefahrern „Wollige Pinguine“ genannt wurden, weil ihnen unbekannt war, dass die Jungen der Königspinguine so braun und wollig sind, bevor sie ihre Federn wechseln. Sie werden von ihren Eltern mit Krill vollgestopft, weil sie die einzigen Pinguine sind, die einen Winter quasi als Teenager ohne ihre Eltern verbringen. Sie überleben in ihrem dicken Daunenkleid und der angefressenen Fettschicht den antarktischen Winter und wechseln im kommenden Frühjahr das Federkleid um im Sommer wassertauglich zu sein. Die Jungpinguine sind bei unserem Besuch gerade in der Mauser und so entstehen einige lustige Fotos – Pingu mit Schal oder Cape, Pingu mit Brusthaar oder Hippiefrisur oder Pingu mit allem. Gerne hätten wir auch noch etwas Duft mitgeschickt, aber dieses olfaktorisch intensive Vergnügen können wir euch leider nicht liefern.

In Grytviken auf South Georgia besuchen wir eine alte Walfangstation, die heute unter Denkmalschutz steht. Glücklicherweise ist das traurige Thema Walfang hier abgehakt, doch werden wir auf unserer ganzen Reise immer wieder damit konfrontiert. An vielen Küsten finden sich Walknochen oder Überreste dieser sehr intensiv betriebenen Industrie, die bis ca. 1930 fast alle Walarten und Robben zum Aussterben brachte.

Auf Landgängen sehen wir aber nicht nur Pinguine sondern können auch aus nächster Nähe Seelöwen und See-Elefanten beobachten. Vorsicht ist im hohen Tussac Gras oder an steinigen Küsten geboten, wenn die Tiere so daliegen, könnte man sie glatt für Felsbrocken halten. Die scharfen Zähne möchte ich aber nicht in meine Waden geschlagen haben. Ich weiss noch, wie wir in Uruguay und später an Argentiniens Westküste gejauchzt haben, als wir die ersten Pinguine und Seelöwen sahen, nun gehören diese Tiere zum täglichen Inventar unserer Landgänge und eben, aus nächster Nähe und ohne Zaun. Unser Expeditionsteam steckt zuerst einen Pfad mit orangen Fähnchen aus, um die Tiere möglichst wenig zu stören. Da gibt es aber dann die neugierigen Petrels und Skuas – grosse Raubvögel, die sich an genau diesen Fähnchen zu schaffen machen und nebenbei zu unserer Unterhaltung beitragen.

Unvergesslich die Fahrt in den Drygalski Fjord am Südende South Georgias. Erinnerungen an Norwegen werden wach. Steile Felswände, von Gletschern geformt und geprägt, immer wieder Gletscher, die in den Fjord münden und das Landschaftsbild stetig verändern.

Unsere Route führt uns weiter zu den South Sandwich Islands, die in 24 Jahren nur 12 mal von Touristenschiffen angelaufen wurden und von diesen Zwölf ist unsere „Sea Spirit“ das vierte Schiff, das einen Landgang durchführen kann. Vielleicht gehören wir zu den wenigen Schweizern, die das unwahrscheinliche Glück haben, diese vulkanisch immer noch sehr aktiven Inseln zu betreten. Wunderbar die farbigen Krater des „ Lucifer“ oder der Rauchschwaden über den schwarzen Lavafeldern. Dann wieder schneebedeckte Gebirge mit Rauchfahnen und am Strand Chinstrap und Adélie Pinguine. Kleine dicke Kerlchen mit einem aussergewöhnlichen Gesichtsausdruck, an Land putzig aber gar nicht unbeholfen, im Wasser pfeilschnell. Auch sie legen grosse Strecken watschelnd und stolpernd zu ihren Nistplätzen zurück, die „Flügelchen“ immer zur Balance abgespreizt. Wir werden bestaunt oder ignoriert, aber unsere Anwesenheit scheint sie nicht zu stören.

Vindication Island wirkt wie eine perfekte Filmkulisse. Vulkane formen auch diese Landschaft aus bizarren Basalttürmen, Höhlen und farbigem Gestein. Die rauhe See formt weiter und der letzte Vulkanausbruch 2012 wird sicher nicht der letzte sein.

An Silvester werden wir von Finn- und Buckelwalen überrascht. Der Kapitän stoppt das Schiff und wir beobachten die Wale, zuerst aus einiger Entfernung und dann… geschieht das Unwirkliche. Die Wale umkreisen das Schiff und kommen immer näher, sie kratzen sich am Schiff und scheinen sichtlich erfreut über unsere Anwesenheit zu sein. Niemand hat in diesem Moment kalt, alle Passagiere sind fasziniert, genauso wie die Crew, die trotz langjährigen Antarktisreisen so etwas noch nie erlebt hat. Die Wale blasen und singen und spielen um unser Schiff herum. Sie klatschen mit den Flossen auf’s Wasser, und natürlich zeigen sie ihre Fluke beim Abtauchen – ohhhhhhhhhhhhh, ahhhhhhhhhhhhhhh und die Kameras zurren und klicken und alle sind glücklich. Ein weiteres unvergessliches Erlebnis. Und gerade das machte diese Reise so spannend – wir haben genügend Zeit und die Crew lässt das Schiff bei aussergewöhnlichen Ereignissen stoppen oder sucht günstige Ankerplätze und ermöglicht so das absolut perfekte Erlebnis.

Und selbstverständlich setzen wir unsere Füsse an Land auch auf historische Entdeckerstätten. Wir wandern auf Sir Ernest Shackleton’s Spuren, besichtigen Point Wild auf Elephant Island, wo er nach dem Sinken seiner „Endurance“ und einem kräfteraubenden Marsch auf und durch das Eis 1915 den grössten Teil seiner Mannschaft zurückliess und mit dem Rettungsboot „James Caird“ und 5 Männern nach South Georgia segelte, in 3 Tagen die Insel überquerte um zur Walfangstation Grytviken zu gelangen. Nach 136 Tagen wurde die übrige Mannschaft auf Elephant Island gerettet – alle Schiffbrüchigen überlebten diese tragische Antarktis Entdeckungstour unbeschadet. Dazu muss man wissen, dass Elephant Island von Gletschern bedeckt ist, den Männern wenig Platz blieb, da nur ein Tupf auf der Landkarte, das Ganze im Winter stattfand und hier nichts wächst, was man essen oder verfeuern könnte – also standen Pinguine, Vögel und Robben auf der Menukarte. Wir waren im Sommer da, bei schönstem Wetter und ruhiger See und erkundeten mit dem Zodiac die blau schimmernden Eisberge, in die man den „Arc de Triomphe“ von Paris locker reinstellen könnte.

Und endlich betreten wir antarktisches Festland – Brown Bluff. Ein Landgang mit wiederum tausenden Pinguinen und einer Landschaft aus Tuff und Basalt. Flechten und Moose zaubern Kunstwerke auf die Felsblöcke und erinnern an Skulpturen, die wie die Eisberge von Henry Moore geformt worden sein könnten.

Bei leicht nebligem und feuchtem Wetter führt eine rassige Zodiacfahrt bei Trinity Island in enge Schluchten. Hier wäre die perfekte Kulisse für einen James Bond Film. Die Eisberge schimmern kalt. Doch dann kommt ein Funkspruch von der Brücke: Wale. Nichts wie hin, gut sind wir wasserdicht und wirklich – vor uns Buckelwale beim Zmorge. Das Meer muss hier voller Krill sein, wir sehen direkt in ihr riesiges Maul, Buckelwale im Schlaraffenland. Unbeschreiblich!

Auch auf der Rückreise ist die gefürchtete Drake Passage zahm und im Beaglekanal empfängt uns der patagonische Wind, den wir schon fast vergessen haben.

Wehmütig verlassen wir nach 23 Tagen das Schiff. Wir haben schöne Bekanntschaften gemacht und waren für kurze Zeit in einer völlig anderen Umgebung, die unvergesslich bleibt. Ushuaia empfängt uns mit frisch eingeschneiten Bergen mitten im Hochsommer.